Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
ihr unentwegt stechende Blicke in den Rücken bohrte, was sie derart nervös machte, dass ihr zwei Wäscheklammern aus der Hand fielen. Als sie sich danach bücken wollte und unterdes mit der linken Hand das feuchte Laken zusammengerafft halten musste, kam ihr der Unbekannte rasch zuvor, sprang behände hinzu, hob die Klammern nacheinander einzeln auf, um sie ihr jedes Mal dicht vor die Nase zu halten. Notgedrungen musste sie ganz nah in sein Gesicht sehen, das mit Sommersprossen so dicht übersät war, dass es wie gebräunt wirkte, umrahmt von strohblondem Haar, das auch seine Oberlippe als eleganter gelber Schnauzbart schmückte. Beherrscht wurde das Gesicht von zwei eng beieinanderliegenden, azurblauen Augen, deren wie aus Meerestiefe emporsteigender, zudringlicher Blick widerwärtig gewirkt hätte, wäre er nicht durch ein galant-zuvorkommendes Lächeln abgeschwächt worden.
Sein Haar soll gepflegt aussehen, wirkt aber nur pomadig wie der ganze Knilch, dachte Michaela. Sie ließ die übrige Wäsche einstweilen in der Plastikwanne und bat den Besucher in ihre Wohnung. In der Küche dienerte er und stellte sich als Bogdan Kloczowski vor. „Meine Freunde mich nennen Bogy“, fügte er süffisant lächelnd hinzu. „Komme ich aus Warschau.“
Gut sieht er ja aus und stark, und ist so elegant, dachte Michaela, während sie Kopftuch und Schürze abnahm, beides auf einen Haken hinter der Tür hängte, mit beiden Händen ihr Haar zu richten versuchte, bevor sie ihn aufforderte, Platz zu nehmen. Sie selbst blieb mit dem Rücken zum Fenster stehen, durch das die letzten Sonnenstrahlen eines goldenen Herbsttages hereinfielen, so dass ihr zartes Gesicht im Schatten blieb, derweil das seine im Sonnenlicht glänzte.
Mit den Händen auf dem Rücken stand sie vor dem Fremden in ihrem dünnen durchsichtigen Kleid, das sie über den bloßen Körper gezogen hatte. Ihr fiel wie Schuppen von den Augen, dass, von der schrägen Sonne beschienen, sich die Konturen ihres Körpers überdeutlich abzeichnen mussten; das bewies ihr die Reaktion des Mannes, der begehrliche Blicke an ihrem Körper von Kopf bis Fuß und von Fuß bis Kopf entlang gleiten ließ. Obwohl er sich am Riemen zu reißen schien, ohne dabei seine faunische Miene zu verziehen, spürte die junge Frau brennende Scham in ihren Adern aufsteigen, was sie erröten machte bis unter die Haarwurzeln. Ihr war zumute, als habe der Fremde ihr gerade mit einem Ruck das Kleid vom Leib gerissen und sie stände nackt und bloß vor ihm, seinen lüsternen Blicken wehrlos ausgeliefert. Hastig verschränkte sie die Arme über ihre Brust und trat fieberhaft zur Seite, um sich in ärgster Verletztheit und kopflos auf die Bank hinter den Tisch zu setzen.
Bogdan Kloczowski aber, der es mit klammheimlicher Befriedigung gewahr wurde, zog mit einem Grinsen, für das Michaela ihn am liebsten geohrfeigt hätte, seine Brieftasche heraus und fragte ungerührt, indem er seinen stechenden Blick persistent in ihre Augen versenkte, wie hoch die Miete sei, die er zu zahlen habe.
Sie hätte ihn mit dem größten Vergnügen auf der Stelle vor die Tür gesetzt, wenn sie nur gewusst hätte, wie sie es begründen sollte. Da sie sich durch eine brüskierende Abweisung nicht neuerlich eine Blöße geben wollte, sagte sie, wenn auch nicht gerade freundlich: „Ich glaube, das Zimmer ist zu klein für den Herrn und zu einfach, das wird dem Herrn gewiss nicht besonders zusagen!“ Sie redete ihn absichtlich in dritter Person an, um ihrer Ablehnung größeren Nachdruck zu verleihen, und erhob sich mit verschränkten Armen, hoffend, den Besucher durch ihre abschätzige Bemerkung rasch loszuwerden.
Doch da hatte sie sich verrechnet. Bogdan Kloczowski stand gleichfalls auf und sagte mit einem heimtückisch-hinterfotzigen Grienen: „Aber ich Sie bitte, junge Frau, bin ich froh, zu bekommen Privatzimmer, ob groß, ob klein.“ Dabei hatte er wie zufällig seine Brieftasche aufgeschlagen. Michaela entging das dicke Bündel Geldscheine darin nicht. Der Unbekannte legte einen blauen Hundertmarkschein auf den Tisch und fragte lächelnd: „Das genug, ja?“
Ihr verschlug es denn doch die Stimme; es handelte sich um Westmark und war umgerechnet ein Mehrfaches ihrer monatlichen Wohnungsmiete. Sie musste schlucken, bevor sie schließlich stotternd herausbrachte: „Aber, das ... ist doch, das ... das kann ich ... doch nicht...“
„Alles seine Ordnung hat“, sagte Herr Kloczowski abschließend und schob ihr das Geld
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