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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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schwefliger Braunkohle zu heizen. Starkstrom für moderne Elektrogeräte verschaffte der trainierte Improvisationsgeist eines Kruggassenmieters, der das Problem durch Zusammenklemmen von Normalleitungen löste, was in der offiziellen Statistik der Errungenschaften noch nirgendwo aufgeführt wurde.
    Michaela Schumann bewohnte das Erdgeschoss rechts im Haus Nummer zwei. Ihr Heim bestand wie alle anderen Wohnungen der Siedlung auch aus zwei kleinen Zimmern nebst Küche. Über den ausgetretenen Linoleumfußboden der schmalen Diele erreichte man direkt ihre Wohnküche. In der rechten Ecke neben dem Fenster, aus dem man auf das unbebaute Ödland mit mehreren zerzausten Obstbäumen blicken konnte, befand sich eine grazile Eckbank, deren Sitz- und Rücklehnflächen kunstlederbezogen waren. Hinter der Wohnküche lag - verbunden durch eine Schiebetür - das Schlafzimmer. Es bot gerade Platz für das funkelnagelneue Ehebett, dessen eine Hälfte seit geraumer Zeit verwaist war, wie Zehntausende andere im Lande, deren vormalige Benutzer sich auf den großen Treck gen Westen gemacht hatten, zum Teil aber noch auf dem Weg zum Glück in westdeutschen Konsulaten aufgehalten wurden. Einige jedoch logierten auf Staatskosten in abgeschlossenen Wohneinheiten hinter Schwedischen Gardinen, ein paar allerdings ruhten für ewig im Souterrain von Mutter Erde.
    Wenn Michaela sich im Bett aufrichtete, konnte sie ihr Konterfei im Spiegel des Kleiderschrankes sehen, der zwar nicht besonders groß war, aber trotzdem die Länge der ganzen Wand einnahm. Neben dem Doppelbett hatte gerade noch je eine hohe Vitrine Platz gefunden; frauseitig links wurden das Hochzeitsservice, Vasen, Nippesfiguren und andere kaum benutzte Geschenke sowie ein Etui mit Essbestecken aufbewahrt. Aufseiten des abgängigen Herrn lagerten historische Erbsachen aus den beiden letzten Weltkriegen. Die unteren Fächer der Vitrine dienten jeweils als Nachtschränkchen. Das Schlafzimmerfenster gestattete einen freien Blick auf die Brandschutzmauern der benachbarten Blockbebauung.
    Der dritte und zugleich kleinste Raum befand sich gleich rechts neben der Haustür und war durch einen separaten Eingang vom Korridor aus zu begehen. Es handelte sich um eine schlauchartige Kammer mit Aussicht auf einen winzigen Vorgarten, der Gartenzwerge mit Schaufeln, Schubkarren und Tabakspfeifen beheimatete und auf das Sträßchen mit der gegenüberliegenden, von wildem Wein überwucherten Wand eines Nachbarhauses ging. Die nach oben führende Treppe aus sprödem Beton war mit Holzplatten eingefasst und beherbergte im Halbgeschoss immer noch den Abtritt, der jedoch einen Vorzug besaß, mit dem er sich mit entsprechenden Einrichtungen in anderen Mehrfamilienhäusern noch durchaus messen konnte: Er besaß eine funktionierende Wasserspülung und war vor allen Dingen nicht – wie die Nachbarn links – dergestalt modernisiert, dass die Speisekammer in der Küche nicht mehr die Lebensmittel, sondern die Kloschüssel beherbergte, nur durch eine dünne Plattenwand getrennt von der Spüle. Allerdings gebot es sich, das gardinenverhangene Fensterchen während der wärmeren Jahreszeit geschlossen zu halten, weil anderenfalls Myriaden von Fliegen, die Willi Widulles gegenüberliegenden Karnickelstall mit den sächsischen Blauaugen-Häsinnen in Schwaden umschwirrten, ein geruhsames Verweilen am verschwiegenen Örtchen empfindlich gestört hätten.
    Als Michaela und Willi den Hausflur betraten, beugte sich Ingrid, Willis elfjährige Schwester und im Übrigen eine Klassenkameradin und beste Freundin Kerstin Patzkes, mit dem Oberkörper von der oberen Diele über das Treppengeländer und rief herunter: „Tante Michaela, stell dir mal vor, da war ein piekfeiner Pinkel hier gewesen, wegen dem Zimmer. Die Wohnraumlenkung schickt ihn, sagt er. Er kommt später noch einmal vorbei, und stell dir vor: Ein großer blauer Wagen mit Chauffeur sogar hat ihn vorgefahren!“
    Sie warf ihre brandroten Zöpfe, die beim Vornüberbeugen über die Schultern geglitten waren, mit einem Kopfruck nach hinten und heftete ihre knallgrünen Augen erwartungsvoll auf Michaelas Gesicht, als rechne sie auf eine freudige Reaktion der Älteren ob ihrer sensationellen Mitteilung über den „piekfeinen Pinkel im Wagen mit Chauffeur“.
    Michaela schien jedoch nicht gerade begeistert von dieser Nachricht. Sie hob die Augenbrauen. Seitdem ihr Mann aushäusig war, hatte sie das Zimmer wohl oder übel untervermieten müssen und sich prompt und

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