Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
„Entschuldigen Sie, Genossin, doch ich meine, Sie rühren da an Dinge, die wohl zu jedermanns privatester Sphäre zählen. Abgesehen davon, dass sie in keiner Weise zutreffen, sind sie beleidigend für mich und auch für meinen Mann!“
„Aber Darling“, flötete die Genossin, „so habe ich es doch gar nicht gemeint. Ein kleiner Scherz am Rande, mein Kleines. Ich freue mich doch für dich, wenn in eurer Beziehung alles in Ordnung ist!“ Und zeigte sich auf eine bestrickend-dezente Art um Genevièves Wohlergehen besorgt, lenkte das Gespräch auf eine harmlos-familiäre Ebene, um sodann auf das sicherlich nicht ganz unkomplizierte Verhältnis der Gastgeberin zu der alten Haushaltshilfe Paula anzuspielen, die von der Genossin als eine zwar etwas verschrobene, aber keineswegs bösartige Person hingestellt wurde. In Wahrheit erhielt sie von der hexenhaften Paula, die ihr völlig ergeben und auch im Pfarrhaus tätig war, seit langem Informationen über die Bewohner und ihren Besuch, so auch über Geneviève und ihre Lebensweise, und war entschlossen, deren Dienste fürderhin noch ausgiebiger in Anspruch zu nehmen, sofern es sich ihren Plänen als nützlich erweisen sollte.
Mit aufgesetzter Liebenswürdigkeit schaffte es Friederike, Geneviève in ihrer Arglosigkeit sogleich wieder vollends gefangen zu nehmen, die den peinlichen Zwischenfall halb und halb verdrängte und in ihrer Einsamkeit nicht zögerte, der Besucherin ihr Herz auszuschütten und sich bitter über Paulas kleine Gemeinheiten und Schikanen zu beklagen.
Paulas Verhalten gegenüber der jungen Frau ihres Brötchengebers hatte allerdings tiefere Ursachen: Zum einen war sie vor dem Dienstantritt bei Herrn La Bruyère ganztags im Haushalt des Pastors beschäftigt gewesen und hatte nach der von der Pfarrersfrau durchgesetzten Scheidung törichterweise gehofft, von dem geistlichen Strohwitwer auf Zeit geehelicht zu werden. Der Seelenhirte hatte sich jedoch ein anderes, praktischer denkendes Mitglied seiner Herde auserwählt, die zudem umgehend seiner Haushälterin die Arbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich auf Null verkürzte. Das führte die werktätige Hauswirtschafterin in das blaublütige Heim des alten La Bruyère, wo sie ihre Heiratsabsichten weiter hätte verfolgen können, wäre da nicht zum Zweiten dieses junge Mädchen heimgeführt worden.
So hasste diese Paula Geneviève vom ersten Tag an für die zweite Pfarrersfrau mit, die sich und ihren Gemahl nicht so einfach hatte bespitzeln lassen; dafür war Paula um so rascher bereit, der Genossin in Sachen Haushalt La Bruyère gefällig zu sein.
„Von nun an stehst du unter meinem Schutz!“ versprach Friederike beim Abschied. „Der Paula werde ich schon gehörig die Leviten lesen! Gleich morgen, Darling, kommst du mich besuchen, damit wir verabreden können, was wir alles unternehmen wollen, um dich kleine Maus ein bisschen zu zerstreuen. Du gehörst unter Menschen, sag ich dir, sonst wirst du mir hier noch total trübsinnig!“
Vom nächsten Tag an schon besuchten sich die beiden Frauen gegenseitig, gingen zusammen ins Kino und Theater, fuhren in den Friedrichsfelder Tiergarten, machten kleine Ausflüge an die Spree, um einen Blick auf das westliche Ufer zu werfen, und gingen manchmal abends aus ins Lindencorso oder ins CB . Genevièves Dankbarkeit gegenüber der Tante wuchs geschwind, so dass sie sich bald albern schalt und prüde, sich unlängst bei deren erstem Besuch so exaltiert und simpel benommen zu haben.
Friederike hingegen benützte nunmehr den wachsenden Einfluss, den sie auf dieses unerfahrene Geschöpf allmählich gewann, um hier und da sachte Liebkosungen zu versuchen, die sich jetzt unauffälliger anbringen ließen. Vorsichtig schmeichelte sie Geneviève, indem sie ihre schlanke Figur bewunderte, wenn sie zusammen mit ihr Kleider auswählte oder Dessous, die nicht einmal den Weg ins exklusive Ladenkombinat des inneren Ringes der märkischen Prominentensiedlung, geschweige denn in einen der Intershops der Hauptstadt gefunden hatten. Sie lobte ihre mädchenhaften Brüste, fuhr ihr mit heftiger Hand durch die gülden-lange Haarpracht, die sich wie chinesische Seide anfühlte, und herzte sie gelegentlich, indem sie ihre Nichte in einer plötzlichen Anwandlung aufwallenden Entzückens an sich drückte.
Die junge Frau bezwang ihre unterschwellige ängstliche Neigung, schamhaftig jeder körperlichen Berührung auszuweichen, da sie sich nun ganz kindisch vorgekommen wäre, ihrer
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