Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
irgendwas für Sie tun?“ „Ja“, antwortete die Frau Doktor. „Sie können uns einen Raum zur Verfügung stellen, in dem wir uns ungestört mit dem Herrn Magister Eisel unterhalten können. „Ja, da …“, der Direktor erhob sich, „da hätten wir das Elternsprechzimmer, ich schau einmal, wenn Sie erlauben?“ Dabei deutete er auf die Tür, die zum Gang hinausführte, und verließ das Büro.
Die Frau Doktor wippte ungeduldig mit dem Fuß, der dadurch Gasperlmaiers Aufmerksamkeit auf sich zog. Grün waren die Schuhe diesmal. Gasperlmaier war sich nicht sicher, ob das zum Kostüm passte. „Was halten Sie von dem, Gasperlmaier? Umständlich, was? Und alles dauert und dauert! Gasperlmaier, starren Sie nicht auf meine Beine! Das hat der Herr Direktor für heute schon erledigt!“ Gasperlmaier schoss die Hitze ins Gesicht. Die Frau Doktor nahm alles wahr, übersah nichts, sprach aber auch alles sofort an, was sie, so meinte Gasperlmaier, auch einmal für sich hätte behalten können. „Entschuldigung. Ich war in Gedanken.“ Gasperlmaier hob seinen Blick. „Ja“, antwortete die Frau Doktor, „das habe ich gesehen. Fragt sich nur, was für Gedanken das waren!“ Gott sei Dank lächelte sie jetzt, die Augenbrauen waren unten, sodass Gasperlmaier für den Moment nichts zu befürchten hatte.
Plötzlich öffneten sich gleichzeitig beide Türen: Aus dem Sekretariat kam ein Mann in hellbraunen Schnürlsamthosen mit einem zu weiten, weißen Hemd, und vom Gang her kam der Direktor wieder zurück. Der war offensichtlich ein wenig durcheinander. „Ah, ich sehe, Kollege Eisel, das Elternsprechzimmer, da ist leider … der Elternverein, wichtige Sache, Kollege Eisel, die Polizei, ich lasse Sie am besten jetzt allein.“ Er vollführte einige Gesten, die den Eindruck, er sei verwirrt, noch unterstrichen, und verschwand im Rückwärtsgang in sein Sekretariat.
Die Frau Doktor übernahm die Rolle der Gastgeberin und bat den Herrn Magister Eisel, Platz zu nehmen. Sie stellte ihm auch Gasperlmaier und sich selbst vor. „Herr Eisel, wir haben Sie hierher gebeten, weil wir in einer wirklich wichtigen Angelegenheit mit Ihnen sprechen müssen.“ Der Magister Eisel, so fand Gasperlmaier, sah für den Ehemann der Toten zu alt aus, er machte den Eindruck, als sei er kurz vor der Pension. Ein wenig wirre, ungepflegte weiße Haare hingen über den Kragen, oben war der Kopf, ebenso wie der des Direktors, unbehaart, und Gesicht und Hals waren faltig, auch unrasiert, wie Gasperlmaier aufmerksam feststellte. Sein Bauch hing über den Hosenbund, und sein Hemd klaffte darüber ein wenig auf, sodass aus Gasperlmaiers Perspektive ein wenig weiße, behaarte Bauchhaut sichtbar war. Immerhin, so dachte er bei sich, war er ja zur Beobachtung abgestellt worden.
„Simone Eisel, geboren 1967, Lehrerin an der Tourismusschule hier in Ischl, ist das Ihre Frau?“ Eisel fuhr auf. „Ist was mit ihr? Ist ihr was passiert? Wo ist sie? Reden Sie doch!“ Gasperlmaier kam seine Erregung echt vor. Wenn es nach ihm ging, war der hier nicht derjenige, der die Frau Eisel gewürgt und über die Loserwand gestoßen hatte. Sonst hätte er sich wohl nicht so aufgeregt. Die Frau Doktor hatte ihm ja erklärt, dass Männer im Tarnen und Täuschen nicht so versiert waren. Möglicherweise, so überlegte Gasperlmaier, war er aber auch deshalb aufgeregt, weil man ihm auf die Schliche zu kommen drohte. Es war schwierig. Gasperlmaier nahm sich vor, weiterhin genauestens zu beobachten.
„Herr Magister“, die Frau Doktor hatte nun einen ganz ernsten, ruhigen Ton angeschlagen, „ich muss Ihnen leider die traurige Mitteilung machen, dass ihre Frau nicht mehr am Leben ist. Sie wurde gestern Nachmittag leblos am Fuß der Loserwand aufgefunden.“ Eisel blickte starr vor sich hin, so, als habe er gar nicht zugehört. Die Frau Doktor stieß gleich nach. „Wir möchten von Ihnen, Herr Magister, vor allem wissen, ob Sie mit Ihrer Frau gestern auf dem Loser waren, und wenn nicht, warum Sie sich nicht gemeldet haben, als sie abends nicht nach Hause gekommen ist.“
Eisel sprach zu seinen Knien hinunter, fast tonlos, mit erstickter Stimme. „Sie war nicht auf dem Loser gestern. Sie war mit einer Freundin in einer Therme. Verlängertes Wochenende. Sie macht ja ein Sabbatical. Sie kann gar nicht vom Loser heruntergestürzt sein. Sie ist ja in Bad Schallerbach.“ Die Frau Doktor schien ein wenig ratlos. Sie kramte das Plastiksäckchen mit dem Ohrgehänge aus ihrer Handtasche
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