Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
und legte es auf den Tisch neben sich. „Erkennen Sie dieses Schmuckstück? Wir haben es bei der Toten gefunden.“ Der Magister Eisel nahm das Säckchen in die Hand, schob seine Brille auf die Stirn und hielt es sich ganz nahe vor die Augen. Nach einer Weile zuckte er die Schultern. „Meine Frau hat Dutzende, vielleicht Hunderte von denen. Kann schon sein, dass das ihr gehört hat. Ich glaub, ich hab es an ihr schon einmal gesehen.“ Er wiederholte sein Schulterzucken und legte das Säckchen wieder zurück. „Wir haben bei der Toten auf dem Loser auch das Handy Ihrer Frau gefunden, der Nachweis ist einwandfrei. Können Sie sich vorstellen, dass sie ihr Handy jemandem geliehen hat, oder dass man es ihr gestohlen hat?“ Der Magister Eisel sah der Frau Doktor unsicher in die Augen. „Sie ist in Bad Schallerbach!“, wiederholte er stur, so, als ob er sich dieser Tatsache selbst unbedingt vergewissern wollte.
„Herr Magister, wann haben Sie denn das letzte Mal Kontakt mit Ihrer Frau gehabt? Telefonisch, oder wie auch immer?“ „Sie hat mich am Sonntagabend angerufen. Aus Bad Schallerbach.“ Gasperlmaier fragte sich, wieso sich der Herr Magister Eisel so sehr darauf versteifte, dass seine Frau wirklich dort gewesen war, wo er sie vermutet hatte. Auf jeden Fall, so dachte Gasperlmaier bei sich, wollte der auf keinen Fall wahrhaben, dass seine Frau tot war.
Die Frau Doktor schlug das rechte Bein, das vorher unter dem linken gewesen war, über das andere und beugte sich vor. In ruhigem, begütigendem Tonfall redete sie auf den Magister Eisel ein: „War ihre Frau allein oder mit jemandem zusammen unterwegs? In welchem Hotel hat sie geschlafen? Das müssen wir wissen! Und, Herr Eisel: Wir haben Ihre Frau nur anhand des Handys identifiziert, bisher. Wenn Sie also berechtigte Zweifel daran haben, dass sie ihr Handy bei sich hatte, helfen Sie uns!“ Der Magister Eisel nickte geistesabwesend und senkte den Blick wieder auf seine Knie. Dort hatte er auch seine Hände abgestützt. Die Hose, fand Gasperlmaier, hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, so abgenutzt und ausgebeult, wie sie war. Gasperlmaier selbst legte schon Wert auf eine gepflegte Uniform, mit einer solchen Hose hätte er sich nirgendwo sehen lassen.
„Sie ist mit der Susi Schneider unterwegs. In Bad Schallerbach!“ Mein Gott, war der Mann stur! „Die Susi Schneider ist ihre beste Freundin. Die macht zwar gerade kein Sabbatical, aber die ist beim Tourismus beschäftigt, irgendwo. Und sie kriegt immer Hotelgutscheine, zum Testen, was weiß ich. Und die beiden sind manchmal zusammen weggefahren. Und am Sonntag, am Abend, hat sie angerufen und gesagt, dass es ihr so gut gefällt. Und dass sie bis heute dortbleiben. Heute kommt sie heim.“ Ein schwieriger Fall, fand Gasperlmaier. „Heute haben wir Dienstag. Hat sie sich seit Sonntagabend noch einmal gemeldet?“ Der Magister Eisel schüttelte seinen weißen Kopf. „Ich hab’s ein paarmal probiert, aber ihr Handy war aus. Das ist nichts Besonderes, sie schaltet oft ab oder vergisst ihr Ladegerät. Dann hat mich die Susi Schneider gestern Abend angerufen, dass die Simone keinen Akku mehr hat.“ „Und es ist Ihnen nicht komisch vorgekommen, dass sie nicht selber am Apparat war?“
Der Magister Eisel hob den Blick erneut. In seinen Augenwinkeln, so meinte Gasperlmaier, sah er es feucht glitzern. „Die Susi hat gesagt, sie ist im Wasser. Meine Frau, meine ich.“ Die Frau Doktor warf dem Gasperlmaier einen Blick zu. Diese Susi, sagte der Blick, die werden wir uns auch genauer anschauen müssen.
„Herr Magister, wo waren Sie denn gestern tagsüber? Ich nehme an, in der Schule?“ Der Magister Eisel schüttelte den Kopf. „Ich war im Krankenstand. Zu Hause. Tinnitus, wissen Sie. Das ist manchmal so quälend, da können Sie …“ Er winkte resigniert ab. „Und Zeugen hab ich natürlich keine.“ Die Frau Doktor zog die Augenbrauen hoch und warf Gasperlmaier einen vielsagenden Blick zu. „Herr Magister, das wäre vorläufig alles. Ach so, ja, das Hotel?“ „Das weiß ich nicht, wo sie eingekehrt sind, keine Ahnung!“
„Ja!“, meinte die Frau Doktor und erhob sich. Gasperlmaier tat es ihr gleich, während der Magister Eisel teilnahmslos sitzen blieb. Sorgfältig strich sie ihren Rock glatt, während sie weitersprach. „Ich kann es Ihnen nicht ersparen, dass Sie sich die Tote, die wir gefunden haben, ansehen. Jedenfalls dann, wenn es uns oder Ihnen nicht gelingt, im Laufe des Vormittags Ihre
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