Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
ihr ein Gefühl für Recht und Unrecht bekommt, und Verantwortung für euch selbst übernehmt! Bis zum nächsten Mal!“ Die Frau Doktor drehte sich um und bedeutete Gasperlmaier, ihm zu folgen. Respektvoll flüsterte einer der unter den Zuschauern stehenden Jugendlichen, „Oida!“
Wie sie sich Respekt verschaffte, das fand Gasperlmaier bewundernswert. Die Frau Doktor hatte zu den Burschen aufschauen müssen, und dennoch hatte sich keiner getraut, ihr dumm zu kommen. Eine solch eindrucksvolle Persönlichkeit wäre Gasperlmaier selber gern gewesen.
Diesmal nahm die Frau Doktor selber auf dem Fahrersitz Platz. „Rekapitulieren wir einmal, Gasperlmaier: Identifiziert haben wir die Tote nur anhand des Handys. Wenn es uns allerdings nicht schnell gelingt, Kontakt zu ihr aufzunehmen, können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen: Es ist die arme, elegante Simone Eisel. Sie treibt sich – möglicherweise mit einem anderen Kerl, der sie würgt und die Wand hinunterstößt – auf dem Loser herum, während ihr Mann sie mit einer Freundin auf Wellness-Wochenende wähnt. Behauptet er. Er selbst hat kein Alibi, könnte also auch mit ihr oben gewesen sein. Die Presse ist uns bereits einen Schritt voraus und erzählt überall herum, auf dem Loser sei ein Mord passiert. Die zweite Leiche lassen wir jetzt einmal beiseite, erstens ist sie noch nicht identifiziert, zweitens wird das wahrscheinlich ein Unfall gewesen sein. Was machen wir jetzt als Nächstes, Gasperlmaier?“ Das war Gasperlmaier völlig klar, und er war recht stolz auf sich, als er der Frau Doktor in der Gewissheit, richtig zu liegen, erklärte: „Jetzt suchen wir die Susi Schneider!“ „Falsch, Gasperlmaier: Jetzt fahren wir zur Tourismusschule und erkundigen uns dort über die Tote – denn dort ist auch die Journalistin, von der der Direktor gesprochen hat, und schnüffelt herum. Denn von der Susi Schneider weiß sie ja – hoffentlich! – noch nichts.“
Wo die Tourismusschule war, das wusste Gasperlmaier, man brauchte nur zur Katrin-Seilbahn nach hinten zu fahren. Auf die Katrin hatte er schon ein paarmal mit Kollegen Skitouren unternommen. Während die Frau Doktor das Auto lenkte, telefonierte sie, ohne dass sie ihr Handy aus der Tasche nehmen musste. Anscheinend verstand sie das Auto auch so. Die Stimme ihres Kollegen kam aus den Radiolautsprechern. Christoph hatte ihm das einmal erklärt und ihm einreden wollen, endlich auch so ein Auto mit Blutus zu kaufen, wie er das nannte. So blöd war Gasperlmaier aber nicht – solange sich der Christoph für das Familienauto schämte, stand es wenigstens ihm und der Christine zur Verfügung, weil der Herr Sohn dann lieber doch mit dem Mountainbike als mit dem biederen Opel herumkurvte. Außerdem hatte er keine Ahnung, was der Christoph mit Blutus meinte. Und im Internet hatte er das auch nirgends gefunden.
Als sie bei der Tourismusschule ankamen, stand dort tatsächlich ein weißes Auto mit dem roten Logo der Schilling-Zeitung. „Schilling-Leser sind klüger!“ stand in schwungvoller Schrift als Slogan unter dem Logo auf der Tür. Gasperlmaiers ohnehin schon bescheidene Laune verdüsterte sich. Die Schilling-Zeitung hatte ihm bereits einmal übel mitgespielt, er war völlig unschuldig, als vertrottelter Polizist gebrandmarkt, auf der Titelseite abgebildet gewesen. Seitdem kam ihm kein Exemplar dieser Zeitung mehr ins Haus. Gasperlmaier fürchtete ein Zusammentreffen mit einer der immer schlagfertigen Reporterinnen. Mit der Frau Doktor an seiner Seite, so hoffte er, würde es nicht zum Äußersten kommen. „Das möchte ich entschieden bezweifeln!“, lächelte die, auf den Slogan der Schilling-Zeitung deutend.
Sehr viel Unterschied, stellte Gasperlmaier fest, gab es zwischen dem Gymnasium und der Schule hier nicht. Beides waren Zweckbauten aus den siebziger oder achtziger Jahren, teilweise mit hässlichem Waschbeton verkleidet, und weder von außen noch von innen schön anzusehen. Drinnen herrschte Ruhe, offenbar war gerade Unterricht, dennoch erschrak Gasperlmaier, als ihnen eine Frau entgegenkam, die er nur zu gut kannte. „Da schau her, der Gasperlmaier!“, grinste sie süffisant. „Und die Frau Kommissar! Sind wir auch schon draufgekommen, dass jemand umgebracht worden ist? Der Schilling war halt wieder einmal schneller!“ Es war die Maggie Schablinger, erinnerte sich Gasperlmaier, die sehr viel von sich selbst, wenig aber von der Arbeit der Polizei hielt. Eine auffällige Persönlichkeit, die
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