Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
üblich. Hat man mir gesagt. Der Kaspar war sehr beliebt, und es hat keine wirklich schlüssige Erklärung dafür gegeben, dass er die Schule wechseln wollte. Er ist ein sehr fescher Mann, und nicht zuletzt sein Schulwechsel hat halt den Gerüchten Nahrung gegeben, dass er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau beenden und ihr aus dem Weg gehen wollte – der Simone Eisel.“ Gasperlmaier hatte den Namen Fritzenwallner noch nie gehört, und wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er auch zugeben, dass er sich nicht sonderlich für die Namen der Lehrer seiner Kinder interessierte – solange die Noten in Ordnung waren. Die Frau Direktor lehnte sich wieder zurück. „Mir war das egal, solange in der Schule alles in Ordnung ist, können die Leute in ihrem Privatleben tun, was sie wollen.“
„Und der zweite?“ Nun war es die Frau Doktor, die sich etwas vorbeugte. „Von dem weiß ich nicht einmal den Namen, es soll ein Wirt oder Restaurantbesitzer aus der Umgebung sein, wir haben ja vom Schwerpunkt unserer Schule her auch viel mit Gastronomiebetrieben zu tun. Aber ich möchte noch einmal wiederholen: alles unbestätigte Gerüchte.“ Die Frau Direktor stand auf, wohl, um darauf hinzuweisen, dass sie ihrer Meinung nach bereits genug gesagt hatte. „Wollen Sie vielleicht bei uns essen?“, fragte sie. „Wir bieten den Lehrerinnen und Lehrern, und gelegentlich auch Besuchern, an, bei uns zu essen. Für die Schüler ist es ja ein Schulfach – vormittags wird gekocht, und zu Mittag wird serviert. Eine ganz normale Unterrichtsstunde.“ Das kam Gasperlmaier gerade recht. Seit dem Frühstück war viel Zeit vergangen, und wenn man mit der Frau Doktor unterwegs war, kam es immer wieder vor, dass die Jause aus Zeitgründen ausfiel. Zwar, so dachte Gasperlmaier bei sich, wusste er nur wenig über die Frau Doktor, aber dass ihr Essen nicht so wichtig war, wenn sie im Dienst war, das konnte er mit Sicherheit sagen. „Nein danke, wir haben’s leider eilig, dafür können wir uns keine Zeit nehmen!“ Die Frau Doktor schüttelte der Frau Direktor die Hand, und Gasperlmaiers Laune sank auf den Nullpunkt. Irgendwas musste gegen seinen Hunger ja sowieso unternommen werden. Warum nicht gleich hier?
„Trösten Sie sich, Gasperlmaier!“, sagte die Frau Doktor draußen auf dem Gang zu ihm. „Denken Sie daran: Was hier gegessen wird, das haben Schüler gekocht – wollten Sie das wirklich riskieren?“ Gasperlmaier fühlte sich durchschaut, wollte aber die Ehre der Tourismusschüler, zu denen schließlich auch seine Tochter zählte, verteidigen: „Also, die Schule von unserer Katharina hat einmal ein Buffet hergerichtet, das war … erstklassig!“ Gerade noch hatte er seinen Satz mit einem passenden Wort zu Ende bringen können. Die Frau Doktor winkte lachend ab. „Ja, Gasperlmaier, ich wollte niemanden beleidigen. Wir kaufen uns im Vorbeifahren im Supermarkt ein Weckerl oder so.“ Gasperlmaier war dennoch ein wenig verschnupft. Besser als so ein batzweiches Weckerl aus dem Supermarkt, das schon stundenlang in der Plastikfolie schmorte, wäre das Essen in der Tourismusschule allemal gewesen. Gasperlmaier blieb ein wenig hinter der Frau Doktor zurück. Als die gerade den Schlüssel zückte und ihren Audi aufsperrte, kam dahinter ein feister Mann zum Vorschein. „Da können S’ aber nicht parken, junge Frau! Das ist die Feuerwehrzufahrt! Wo täten wir denn da hinkommen, wenn jede, die ihren Fratzen die Schulsachen nachträgt, da stehen bleibt!“ Das Gesicht des Mannes hatte sich gerötet, und beim Reden hatte er Speicheltröpfchen gegen die Frau Doktor versprüht, Gasperlmaier hatte es deutlich gesehen. Anscheinend, so dachte Gasperlmaier bei sich, hielt der Mann die Frau Doktor für eine unterbeschäftigte Mutter, die nichts Besseres zu tun hatte, als der Jessica oder der Jaqueline, oder wie sie auch immer hießen, die vergessene Federschachtel nachzuliefern. Gasperlmaier hatte von seiner Christine gehört, dass es solche Mütter bisweilen auch in Altaussee gab. Den Vogel aber hatte eine abgeschossen, die ihrem Sohn einmal über sechzig Kilometer nachgefahren war, weil ihm auf den Projekttagen das Taschengeld ausgegangen war. Der ohnehin schon übergewichtige Sprössling hatte trotz Vollpension gleich am ersten Tag sein ganzes Geld für Pommes frites und Eislutscher ausgegeben. Die Christine hatte sich tagelang über die Frau und ihre Erziehungsmethoden geärgert.
Inzwischen hatte sich Gasperlmaier genähert, und
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