Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
glitt er auf dem morastigen Boden aus, schlug auf den Rücken und rutschte den Abhang hinunter. Erst das Autowrack bremste seinen Fall, doch mit den Beinen war er bereits unter die Überreste der Karosserie des BMW gerutscht. Panik überrollte ihn, und er begann zu keuchen. Von oben schrie der Friedrich: „Gasperlmaier, ist was?“ Gasperlmaier mühte sich, unter dem Auto hervorzukriechen. Die Angst verlieh ihm ungeahnte Kräfte, und wenig später stand er, mit Schlamm bis über den Hosenbund verschmiert, neben dem Auto und lehnte sich atemlos an die einigermaßen unversehrte C-Säule. Jetzt erst fühlte er den pochenden Schmerz in seinem Nacken. Von oben schrie der Friedrich: „Nichts angreifen!“ Gasperlmaier war fassungslos. Er stand da, von den Naturgewalten gegen das Autowrack gepresst, konnte sich kaum rühren, und der Friedrich meinte, er solle sich doch darauf besinnen, nichts anzufassen. Zumindest, so stellte er jetzt fest, war das Auto leer, soweit er eben hineinsehen konnte. Keine Leiche und auch kein Verwesungsgestank. Nirgendwo konnte Gasperlmaier Blutflecken wahrnehmen.
So vorsichtig es ging, stemmte sich Gasperlmaier gegen das Autowrack, um einen festen Stand zu gewinnen. Mit einiger Mühe gelang ihm dies auch, er konnte sich umdrehen und auf allen vieren ein Stück hinaufklettern, um sich dann atemlos hinzusetzen. Durch die nasse Uniformhose spürte er die Kälte und Feuchtigkeit des Untergrunds an seinen Hintern herandringen, sein Nacken und seine Schulter schmerzten heftig, doch das war ihm jetzt egal. War es ihm doch wenigstens gelungen, sich aus den Resten des BMW zu befreien, ohne dass es der Feuerwehr und einer Bergeschere oder eines Krans bedurft hatte.
Nachdem er einige Minuten verschnauft hatte, plagte sich Gasperlmaier den Abhang wieder nach oben, nicht ohne mehrmals tief in den Schlamm zu treten und auf die Knie zu fallen. Als er wieder beim Kahlß Friedrich oben ankam, maß ihn der mit abschätzigen Blicken. „Du schaust aus!“ Gasperlmaier packte die Wut. Da hatte er sich unter Aufbietung seiner letzten Kräfte zu dem Autowrack hinuntergekämpft, um einem etwaigen Überlebenden beizustehen, hatte unter Mühen den Rückweg wieder geschafft, war von unten bis oben durchnässt, und alles, was dem Friedrich einfiel, war ein Kommentar zu seinem Aussehen. Er hatte jetzt wirklich genug. „Weißt du was?“, sagte er zum Friedrich. „Ich bin jetzt fix und fertig. Und wenn ich nicht Dienstschluss machen kann, dann geh ich jetzt in Krankenstand. Du kannst ja mit der Feuerwehr wieder hinunterfahren.“ Bevor der Friedrich noch reagieren konnte, hatte sich Gasperlmaier, schlammverkrustet, wie er war, in den Streifenwagen gesetzt, gestartet und Gas gegeben. Gasperlmaier war es jetzt völlig egal, ob und wie die Ermittlung weiterging. Gleich nach den ersten zwei Kehren begegneten ihm zwei Fahrzeuge der Feuerwehr. Was sich die Besatzungen dabei denken mochten, dass die Polizei schon wieder talwärts unterwegs war, das war Gasperlmaier jetzt ebenso egal wie der Friedrich, der den Feuerwehrleuten jetzt wohl erklären musste, warum er mutterseelenallein auf der Forststraße hinter der Kehre sieben stand.
12
„Du schaust aus!“ Seine Christine maß ihn mit erstaunten Blicken von oben bis unten und wieder nach oben. Gasperlmaier fand, dass die gleichen Worte bei seiner Christine ganz anders klangen als beim Kahlß Friedrich. Voller Fürsorge und Anteilnahme hallten sie in seinen Gehörgängen wider. „Zieh das gleich am besten hier aus.“ Die Christine öffnete zunächst die durchnässte Halskrause und warf sie auf den Boden, danach riss sie ihm die Jacke von den Schultern. „Die Hose auch gleich!“ „Kann ich nicht wenigstens …“, versuchte Gasperlmaier sich dagegen zu wehren, vor der Haustür die Hose hinunterlassen zu müssen. „Papperlapapp!“, antwortete die Christine, „hier sieht dich doch sowieso keiner! Schau dich um! Kein Fenster weit und breit, das Aussicht auf unsere Haustür hat! Ich hab schließlich auch schon ohne Gewand die Zeitung hereingeholt.“ Gasperlmaier ließ zwar seine schlammverkrustete Hose hinunter, dennoch war ihm nicht recht wohl bei dem Gedanken, dass seine Christine, wie sie ihm soeben gestanden hatte, schon nackt vor der Haustür herumgehüpft war. Man konnte ja nie ausschließen, dass sich gerade in dem Moment irgendein Interessierter von der Straße her näherte oder sonst eine Möglichkeit bestand, ihren Hauseingang zu beobachten. Bevor Gasperlmaier
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