Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
seine Gedankengänge zu Ende bringen konnte, hatte ihn die Christine schon seiner Kleider entledigt und ins Haus hineingezogen, wo ihm auch noch die Unterhose abgenommen wurde. Zu Recht, wie er feststellte, die Nässe hatte sich durch die Uniformhose hindurch auch auf seiner Unterwäsche ausgebreitet. „So, und jetzt in die Dusche! Und dann gibt’s eine Überraschung!“ Gasperlmaier schien die Christine so fröhlich, so aufgeräumt, dass er der Überraschung mit einiger Hoffnung entgegenblickte. Sofern sie ihn nicht daran hindern würde, seinen Abend in Gesellschaft von ein oder zwei Flaschen Bier vor dem Fernseher zu verbringen.
Als Gasperlmaier jedoch aus der Dusche trat und auf dem Wäscheständer nebst frischer Unterwäsche auch noch ein gebügeltes Hemd sowie seine grünen Stutzen vorfand, wusste er, dass aus dem gemütlichen Fernsehabend nichts werden würde. Grüne Stutzen bedeuteten, es wurde heute Abend die Lederhose getragen, und Lederhose bedeutete Ausgehen. Gasperlmaier machte sich wenig aus modischer Kleidung, Hosen und Oberbekleidung einzukaufen, war ihm verhasst, und so wechselte er in schöner Regelmäßigkeit, je nach Anlass, von einer Uniform in die andere. Von der Polizeiuniform in die Feuerwehruniform, und von der Feuerwehruniform in die Tracht, und so weiter. Gasperlmaier konnte sich kaum erinnern, in den letzten Monaten etwas anderes getragen zu haben, außer zum Baden und zum Skifahren natürlich. Es gab zwar Badehosen, die mit Lederhosenmustern bedruckt waren, so etwas hatte Gasperlmaier sogar schon drüben beim Kahlseneck am Altausseer See gesehen, aber das war nichts für einen, der mit Tracht noch Bodenständigkeit und Tradition verband. Vereinzelt sah man Einheimische sogar beim Skifahren in der Lederhose, das allerdings schien selbst Gasperlmaier ein wenig übertrieben.
Während er sich anzog, kam die Christine ins Bad. „Gasperlmaier“, sagte sie, „es tut mir leid, die Geschichte mit dem Beda. Ich hab erst heute richtig begriffen, wie weh ich dir damit getan habe. Und du hast es nicht verdient, dass man dir wehtut.“ Das, so dachte Gasperlmaier bei sich, hörte sich durchaus vernünftig an. „Und deswegen führe ich dich heute aus. Nach Ischl. In ein Haubenlokal. Du bist mein Gast. Das wird etwas ganz Besonderes.“ Gasperlmaiers Stimmung sank. Erstens war er in den letzten Tagen so oft über den Pötschenpass nach Ischl hinübergefahren, dass ihm die Strecke schon zum Hals heraushing, und zweitens war er noch nie in einem Haubenlokal gewesen, weil ihm der Schneiderwirt in Altaussee wirklich gut genug war. Konnte es etwas Besseres geben als ein saftiges Bratl mit rescher Kruste, konnte irgendein noch so köstliches Haubengericht es mit einem mit der Semmel aufgetunkten Gulaschsaft aufnehmen? Wohl kaum, fand Gasperlmaier. Zudem, so wusste er verlässlich, waren die Speisen in so einem Haubenlokal meist unverschämt teuer und die Portionen winzig. Aber wenn die Christine einmal einen Entschluss gefasst hatte, dann war darüber meist nicht mehr zu diskutieren, wusste Gasperlmaier und fügte sich widerspruchslos ins Unvermeidliche. Leider aber reichte der Christine das stille Sich-Fügen nicht ganz. „Mir scheint, du freust dich gar nicht?“ Anscheinend, so dachte Gasperlmaier bei sich, hatte er beim Anziehen und Zuknöpfen der Lederhose einen etwas lustlosen Eindruck gemacht, was der Christine natürlich sofort aufgefallen war. „Doch, doch!“, beeilte sich Gasperlmaier zu versichern, obwohl er nicht recht einzusehen vermochte, warum er, wenn sich die Christine sozusagen bei ihm entschuldigen wollte, etwas mitmachen musste, worauf er überhaupt keine Lust hatte.
Dennoch saßen sie bereits eine halbe Stunde später im Auto. Die Christine, fand Gasperlmaier, hatte sich wirklich ganz wunderbar zurechtgemacht, und Gasperlmaier hatte sie mit einigem Stolz betrachtet, wie sie ins Auto eingestiegen war. Sie sah noch genau so jung aus, fand er, wie damals, als sie sich kennengelernt hatten. Ihre Rundungen waren, wie Gasperlmaier mit Zufriedenheit feststellte, ein wenig üppiger geworden, befanden sich aber genau dort, wo sie hingehörten. „Wo hast du denn deine Halskrause gelassen? Ich hab sie dir doch extra geputzt und trocken geföhnt!“ Allein die Frage danach verursachte Gasperlmaier wieder Schmerzen im Nacken, die aber Gott sei Dank nicht mehr so schlimm waren wie heute in der Früh. Die Christine warf ihm einen sorgenvollen Blick zu. „Du solltest das schon tragen, weißt
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