Letzter Gruss - Thriller
Larsson hat uns geschrieben!«
Die Dusche lief. Mac antwortete nicht.
Schmoll doch, dachte sie und begann zu lesen.
»Ihr habt an mich geschrieben, jetzt schreibe ich an euch. Im Gegensatz zu euch stehe ich für meine Briefe ein. Ich verstecke mich nicht, sondern übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln. Das werde ich auch weiterhin tun. Deshalb haben die Zeitung Aftonposten und ich beschlossen, euch mit diesem Brief zu antworten …«
Sie überflog den Text.
Die Polizei sei ihnen dicht auf den Fersen, stand dort, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis man sie dingfest mache. Dass sie zu nachlässig geworden seien und begonnen hätten, Fehler zu machen. Dass sie sich selbst zu Fall bringen und die Deutschen auf Dalarö ihre letzten Opfer sein würden.
Mac stand in der Tür, das Badetuch um den Hals gelegt, und beobachtete sie beim Lesen.
»Was steht da?«
»Das meiste ist Bullshit«, sagte Sylvia, »aber der Schluss ist ganz interessant. Sie will uns interviewen.«
Mac feixte.
»So eine Idiotin. Warum sollten wir uns von ihr interviewen lassen?«
Sylvia reichte ihm die Zeitung.
»Sie bieten uns 100 000 Dollar.«
Mac fiel die frisch rasierte Kinnlade runter.
»Mach keinen Scheiß«, sagte er, griff mit beiden Händen nach der Zeitung und ließ sich auf das zerwühlte Bett sinken. »Mensch, 100 000 Dollar, das ist ein Hammer.«
Sylvia stand auf und trat ans Fenster des Hotelzimmers. Sie reckte die Arme über den Kopf und gähnte laut, im vollen Bewusstsein, dass sie in ihrer Nacktheit gut sichtbar war.
Auf der anderen Straßenseite erhob sich ein schweres, nationalromantisches Gebäude mit Turm und Kupferdach. Die Sprossenfenster glitzerten in der Morgensonne. Das Stockholmer Rathaus,
wo Diebe und Verbrecher vor den Kadi geführt wurden, um ihre lächerlichen Taten zu sühnen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Dahinter schimmerte ein goldgelbes, palastähnliches Bauwerk mit Zinnen und Glockenturm und verzierten Balustraden: das Stockholmer Polizeipräsidium, wo verrückte kleine Kommissare sich vor Verzweiflung die Haare rauften und Lügen erfanden, um sie zu entlarven.
»Sylvia«, sagte Mac, »die Sache ist tatsächlich einen Gedanken wert. Sie verspricht uns hundertprozentigen Quellenschutz und dass sie niemals verraten wird, wer wir sind. Außerdem brauchen wir wirklich Geld. Schau, hier steht eine Nummer, die wir anrufen können.«
Sie ließ den Blick über die braungraue Fassade des Rathauses wandern.
»Gar keine so dumme Idee«, sagte sie und wandte sich an Mac. »Aber warum sollten wir uns mit 100 000 Dollar zufriedengeben?«
»Glaubst du, dass noch mehr drin ist?«
Sylvia lächelte.
»Hast du die Visitenkarte noch, die der Holländer dir gegeben hat?«
Mac zwinkerte mit seinen langen Wimpern.
»Warum?«
Sie ging zurück zum Bett und aalte sich auf allen vieren hinüber zu Mac. Sie nahm die Visitenkarte und legte sie auf den Nachttisch. Dann biss sie ihm ins Ohrläppchen und atmete gegen seinen Hals.
Sie glitt auf ihn, warm und feucht.
33
Das Messingglöckchen an der Tür bimmelte mit einem zum Umfeld passenden spröden Laut. Mit angehaltenem Atem betrat Dessie die Galerie in der Österlånggatan in Gamla Stan.
»Hallo?«, rief sie vorsichtig.
Immer wenn sie hierherkam, fühlte sie sich schmutzig. Der Boden, die Decke und die Wände waren schneeweiß gestrichen. Sogar die Kundentoilette und die Treppe hinauf zum Büroloft waren ganz in Weiß gehalten – um »das Licht zu fangen« und »die Kunstwerke zu ihrem Recht kommen zu lassen«.
»Christer? Bist du da?«
Es war, als würde diese Illusion von Reinheit zerbrechen, wenn sie zu laut rief.
»Hallo, Dessie«, sagte eine überraschte Stimme hinter ihr. »Was machst du denn hier?«
Dessie fuhr herum, sie hatte ihn nicht kommen hören.
Christer, ihr Exmann, war genauso gekleidet wie immer: schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Garbadinehose und geräuschlose Mokassins. Er sah aus wie die Karikatur eines Galeristen. Ihr Verhältnis war, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich angespannt – seit dem Tag, an dem er Dessie mit Linda, einer Kommilitonin von der Universität, im Bett erwischt hatte.
»Entschuldige, dass ich dich störe«, sagte sie und brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Ich brauche deine Hilfe.«
Zwei Jahre waren sie verheiratet gewesen. Die Ehe hatte Christer eine Frau geschenkt, die er liebte, Dessie hatte Zugang zum Gesellschaftsleben bekommen, mit Partys und Leuten zum Reden. Er sah sie
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