Letzter Gruss - Thriller
Gesichter waren verschlossen, ihre Blicke abgewandt. Sie hatten sich entschieden.
»Es ist nicht Aufgabe der Medien, der Polizei die Arbeit abzunehmen«, sagte sie. »Wir berichten über Mordfälle, wir lösen sie nicht.«
»Wir betrachten es als eine Chance, beides gleichzeitig zu tun«, entgegnete der Chefredakteur leicht angestrengt.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Dann bin ich der Ansicht, dass Sie diesen Brief selbst unterschreiben sollten«, erwiderte sie. »Warum muss unbedingt mein Name darunter stehen?«
Forsberg rutschte unzufrieden auf seinem Stuhl herum. Es war ihm immer unangenehm, wenn Leute nicht einer Meinung waren.
»Die Mörder haben Sie ausgewählt«, sagte Mats Duvall. »Jemand anderes erzielt nicht denselben Effekt.«
Sie sah zu Boden.
»Das ist nicht richtig«, sagte sie. »Es ist nicht richtig, sie für ihre Verbrechen zu bezahlen.«
»Dessie«, sagte Gabriella. »Komm schon. Sie werden kein Geld erhalten, es ist doch nur ein Köder.«
»Und wenn ich mich weigere?«
Plötzlich erhob sich Jacob Kanon von seinem Stuhl, packte sie am Oberarm, öffnete die Tür und zog sie hinaus in eine Ecke der Sportredaktion. Dessie schaute über die Schulter und sah gerade noch die verwunderten Augen des Chefredakteurs und Gabriellas verkniffene Lippen.
»Herrgott nochmal«, zischte Jacob. »Sie müssen uns helfen. Wir sind noch nie so dicht an ihnen dran gewesen. Die Geschäftsführung der Zeitung tut genau das Richtige, wenn sie einer Veröffentlichung zustimmt. Die Leute haben Verantwortung übernommen.«
Dessie schüttelte seine Hand ab.
»Blödsinn«, sagte sie. »Stenwall geht es nur um Verkaufszahlen. Er will in der Washington Post zitiert werden. Diese Sache verstößt gegen alle moralischen Prinzipien dieser Welt!«
Der Blick des Amerikaners verdunkelte sich. Er trat auf sie zu, sein Atem war heiß.
»Sie reden von Prinzipien. Ich spreche davon, Menschenleben
zu retten. Wenn Sie diesen Brief auf die richtige Art schreiben, können Sie die Mörder dazu bringen, ihr Muster zu durchbrechen. Und genau das brauchen wir.«
Sie sah ihm in die Augen, sie funkelten wie wilde Sterne.
»Ist Ihnen klar, wie mich meine Kollegen dafür kritisieren werden?«, fragte sie.
Er starrte sie an, für Sekunden sprachlos.
»Ihre Karriere ist Ihnen also wichtiger als das Leben junger Menschen«, sagte er.
Dessie blinzelte.
»Nein«, sagte sie, »das habe ich nicht gesagt …«
»Doch«, erwiderte Jacob, »genau das sagen Sie damit! Ihr guter Ruf ist wichtiger, als dass Kimmys Mörder gefasst werden.«
Er raufte sich mit beiden Händen die Haare und wandte sich von ihr ab. Für einen Moment schien es, als würde er am liebsten gegen die Wand treten.
Auf einmal wurde sie unsicher. Wenn Jacob nun Recht hatte? War ihre Verantwortung als Mensch nicht größer als die der Journalistin?
»Was soll denn in dem Brief stehen?«, fragte sie. »Außer dass wir ihnen Geld anbieten?«
Er schloss für ein paar Sekunden die Augen.
»Sie müssen sie herausfordern«, sagte er. »Sie aufrütteln. Sie provozieren, etwas Unüberlegtes zu tun. Natürlich helfe ich Ihnen dabei.«
»In welcher Sprache denn? Englisch oder Schwedisch?«
»Kriegen Sie es denn in beiden Sprachen hin?«
»Ich schreibe meine Doktorarbeit auf Englisch.«
Sie sahen einander schweigend an.
»Das wird mir noch leidtun«, sagte Dessie.
DIENSTAG, 15. JUNI
31
Sylvia schüttelte ihr Kissen zurecht und schlug die Aftonposten auf. Sie gab ein enttäuschtes Grunzen von sich.
»Das sieht dir kein bisschen ähnlich«, sagte sie und betrachtete das Phantombild von Mac, das auf Seite sechs prangte. »In Wirklichkeit bist du viel süßer.«
»Zeig her«, sagte Mac und versuchte, ihr die Zeitung abzunehmen.
»Warte doch mal«, sagte Sylvia gereizt und riss die Zeitung wieder an sich. »Da steht auch was auf Englisch. Ich will das lesen.«
Mac verzog sauer das Gesicht und ging ins Bad. Sylvia warf einen bewundernden Blick auf seine festen Schenkel, als er in die Dusche stieg. Dann schob sie das Frühstückstablett, das sie auf dem Schoß hatte, von sich, um besser lesen zu können.
Der Brief war in Englisch und Schwedisch verfasst und richtete sich an die »Postkarten-Killer«. Die Schlagzeile darüber lautete: »Nehmt meine Herausforderung an – wenn ihr euch traut«.
Sylvia ließ den Blick über die Seite wandern, um zu sehen, wer der Absender des Briefes war.
»He«, rief sie zum Badezimmer hinüber. »Unsere Freundin Dessie
Weitere Kostenlose Bücher