Letzter Gruss - Thriller
und Malcolm unschuldig sind.«
Ja doch, das war ihr durchaus bewusst.
»Vielleicht hatten sie einfach nur wahnsinniges Pech«, sagte Gabriella. »Waren zur falschen Zeit am falschen Ort. Oder es versucht tatsächlich jemand, sie in den Knast zu bringen.«
Dessie trat einen Schritt zur Seite, um die Sanitäter mit den Tragen durchzulassen.
»Oder sie sind doch schuldig«, sagte Dessie. »Und jemand ahmt ihre Morde nach, ist aber nicht so raffiniert wie sie.«
»Und dieser Jemand«, sagte Gabriella, »wer soll das sein?«
Santa Barbara, USA
83
Die Adresse gehörte zu einem mächtigen Tor am Ende der Straße.
Ein dunkles Bronzeschild tat kund, dass es sich bei dem Anwesen dahinter um »The Mansion« handelte, dem vornehmsten aller vornehmen Wohnsitze.
Nur keine falsche Bescheidenheit.
Jacob blieb eine Weile im Wagen sitzen und studierte die Umgebung.
Auf seiner Fahrt durch die Straßen von Montecito hatte er festgestellt, dass der Ort ein Tummelplatz der Reichen und Berühmten war.
Die meisten Häuser in der Nachbarschaft waren protzige Villen, erbaut in einer Art mediterranem Stil, mit reich verzierten Toren und bunten Bougainvilleen.
Dieses Anwesen war anders.
Die Grundstücksmauern waren mehrere Meter hoch, granitgrau und abweisend. Sie erstreckten sich bergauf, so weit das Auge reichte. Der Sichtschutz war so perfekt, dass er nicht einmal erahnen konnte, was sich dahinter befand.
The Mansion, my ass.
Er schloss den Wagen ab und ging zur Sprechanlage amTor.
» Sí? «, meldete sich eine knarzende Stimme.
Ganz unbewohnt war es offenbar doch nicht.
» Hola «, sagte Jacob. » Speak English ?«
Er hatte eine Reihe von Qualitäten. Fremdsprachen gehörten nicht dazu.
» Sí. Yes.«
»Jacob Kanon, NYPD. Ich hätte ein paar Fragen zur Familie Rudolph.«
»Willkommen!«, sagte die Stimme, und dann glitt das Tor auf.
Was denn, so einfach war das?
Er ging zurück zum Auto, passierte die Öffnung in der Mauer und fand sich plötzlich in einer anderen Welt wieder.
Die kiesbestreute Zufahrt schlängelte sich durch eine baumbestandene Landschaft. Von einem Mansion war nichts zu sehen.
Stattdessen stand fünfzig Meter weiter auf der linken Seite ein kleines Pförtnerhaus im englischen Tudor-Stil. Er sah, wie die Haustür geöffnet wurde und ein älterer Mexikaner auf den Kiesweg gehinkt kam.
Jacob hielt den Wagen an und stieg wieder aus.
»NYPD?«, sagte der Mexikaner mit breitem Lächeln, streckte die Hand aus und stellte sich als Carlos Rodríguez vor.
»Sie glauben gar nicht, wie ich gewartet habe«, sagte er.
»Worauf?«, fragte Jacob überrascht.
»Sie kommen keinen Tag zu früh«, sagte der Mexikaner und bekreuzigte sich hastig. »Der Mord an Mister und Missus ist schon viel zu lange ungeklärt!«
Jacob musterte den kleinen Mann. Er trug einen blauen Arbeitsanzug und Gummistiefel, sein Körper war mager und sehnig, sein Haar graumeliert. Er musste zwischen fünfundsechzig und siebzig sein.
»Sie kannten also das Ehepaar Rudolph?«, fragte Jacob.
»Kannten?«, rief Carlos Rodríguez aus. »Ich bin hier seit über dreißig Jahren der Gärtner. In der Nacht, als es passierte, war ich hier.«
84
Carlos Rodríguez und seine Frau Carmela wohnten in dem kleinen Pförtnerhaus von The Mansion, seit er im Frühjahr 1975 aus dem Vietnamkrieg heimgekehrt war. Ihre beiden Kinder waren hier aufgewachsen. Inzwischen studierte der Sohn Medizin an der Northwestern und die Tochter war Teilhaberin einer Anwaltskanzlei in Seattle.
Der alte Mann gab ihm eine Visitenkarte mit der Adresse und einer Mobilnummer.
»Die Kinder sind unsere Zukunft«, sagte Señor Rodríguez. »Haben Sie Kinder?«
»Nein«, erwiderte Jacob kurz und steckte die Karte in die Gesäßtasche seiner Jeans. »Aber ich interessiere mich für die Kinder der Rudolphs, was ist nach dem Mord mit ihnen passiert?«
Der Gärtner schnalzte missbilligend.
»Um die Zwillinge hat sich Señor Blython gekümmert«, sagte er. »Er hat sie zu sich nach Los Angeles geholt, in das Haus, das er in Beverly Hills gekauft hatte.«
Der Mexikaner trat dicht an ihn heran und senkte die Stimme, als könnte ihn jemand hier zwischen den Nadelbäumen hören.
»Die Señorita und der Junior wollten eigentlich nicht weg«, sagte er. »Sie wären am liebsten hier in ihrem Zuhause geblieben, aber Señor Blython hat anders entschieden, er war ja der Vormund. Es war ganz schön leer und einsam hier ohne die Kinder …«
Der Mann bekam feuchte Augen, aber dann
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