Letzter Gruss - Thriller
fasste er sich wieder.
»Na ja, für sie hat sich dann doch noch alles zum Guten gewendet«, sagte er. »Sie sind an die UCLA gegangen und haben Kunst studiert. Möchten Sie übrigens einen Moment hereinkommen? Mi mujer hat einen Kuchen gebacken.«
Er zeigte auf sein Häuschen.
»Danke, schon gut«, sagte Jacob. »Wem gehört das Anwesen jetzt?«
Er erinnerte sich, dass Lyndon gesagt hatte, eine Konkurs-Verwertungsgesellschaft habe die Immobilie erworben.
Carlos Rodríguez’ Gesicht verfinsterte sich.
»Die Kinder hatten es geerbt, ebenso wie alles andere: Bilder, Schmuck, Aktien und die Firma. Jonathan Blython wurde als Treuhänder eingesetzt, er sollte den Nachlass bis zum 21. Geburtstag der Kinder verwalten. Aber als der Tag dann kam, war das ganze Vermögen weg.«
Jacob hob die Augenbrauen.
»Der Vormund hat alles durchgebracht?«
» Todo! Jeden einzelnen Cent. Das Haus wurde zwangsversteigert. Die Gesellschaft, die es gekauft hat, wollte ein Konferenzhotel daraus machen. Zum Glück sind sie durch die Finanzkrise pleitegegangen.«
»Was haben Sylvia und Malcolm Rudolph dazu gesagt?«
Der Blick des Mannes wurde unruhig.
»Sie konnten nicht auf der Universität bleiben, es war ja kein Geld für die Studiengebühren mehr da, also mussten sie arbeiten gehen. Aber sie haben ihren Weg gemacht!«, rief er aus.
Jacobs Kiefermuskeln versteiften sich. Wenn der alte Mann wüsste!
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
Carlos Rodríguez musste nicht lange überlegen.
»An dem Wochenende, bevor das Haus zwangsversteigert wurde«, sagte er. »Sie waren noch einmal hier, um ein paar Erinnerungsstücke zu retten, Fotoalben und so, sie durften natürlich nichts Wertvolles mitnehmen …«
»Sie waren zu zweit hier?«
»Und Sandra«, sagte der Gärtner. »Sandra Schulman, Sylvias beste Freundin, sie war immer mit den beiden zusammen. Bei diesem letzten Mal sind sie nur ein paar Stunden geblieben und mitten in der Nacht wieder abgefahren … Es war sicher sehr schwer für sie, sich für immer von ihrem Elternhaus trennen zu müssen …«
Jacob trat ungeduldig von einem Bein aufs andere, die armseligen kleinen Gefühle der Rudolph-Zwillinge gingen ihm wirklich am Arsch vorbei.
»Und dann wurde Jonathan Blython umgebracht«, sagte er, um die Geschichte voranzutreiben.
Carlos Rodríguez schnaubte.
»Einer, der sich mit putas herumtreibt«, sagte er. »Ist das ein Wunder?«
»Was hat er mit dem Geld gemacht?«
»Seine putas bezahlt? Woher soll einer wie ich das wissen?«
Jacob wechselte das Thema.
»Das Haupthaus«, sagte er. »The Mansion, steht das noch?«
Auf Carlos Rodríguez’ Gesicht erschien ein breites Lächeln.
» Pero claro que sí! Ich bin zwar nicht mehr offiziell angestellt, wir leben natürlich von meiner Rente, aber ich kümmere mich immer noch genauso um The Mansion, als würden der Mister und die Missus noch hier wohnen, oh ja, das tue ich …«
»Würden Sie mir das Haus zeigen?«
» Si, claro! «
Der Mann hinkte eilig in sein Häuschen und kam zwei Sekunden später wieder heraus, einen imposanten Schlüsselbund in der Hand.
85
Lyndon hatte Recht.
Der Kasten war wirklich riesig. Er sah aus wie ein düsteres Jagdschloss in einem englischen Gruselfilm.
Señor Rodríguez tat sicher sein Bestes, um das Gebäude in Schuss zu halten, aber der hinkende alte Mann hatte keine Chance gegen Wind, Feuchtigkeit, Unkraut und Mauerflechte. Mehrere Scheiben in den kleinsprossigen Fenstern waren zerbrochen und nur noch gähnende Löcher mit scharfkantigen Scherben. Ein Fensterladen hing schief in den Angeln und quietschte leise im Wind.
»Der Strom ist abgestellt«, sagte der Gärtner entschuldigend und schloss die schwere Eichentür auf.
Jacobs Schritte echoten durch die weitläufige steinerne Halle. Die Türen standen halboffen, dahinter ahnte man riesige Salons und dunkle Korridore.
Er warf einen schnellen Blick in die verschiedenen Räume.
Der ganze Ort wirkte öde und verloren. In einer Bibliothek ohne Bücher hing eine einsame Gardine.
»Der Master bedroom ist im oberen Stock.«
Eine majestätisch geschwungene Treppe führte in die privaten Gemächer des Schlosses.
Helle Rechtecke an den Wänden verrieten, wo die Gemälde gehangen hatten.
Ein Rokokosofa mit aufgeplatztem Bezug stand verlassen und staubig in der oberen Halle.
»Geradeaus«, sagte Carlos Rodríguez.
Das Bett stand noch da, ein verschnörkeltes Himmelbett ohne Himmel und Bettzeug. Ansonsten war der Raum völlig
Weitere Kostenlose Bücher