Letzter Gruss - Thriller
schnappte nach Luft.
»Großer Gott im Himmel«, sagte sie.
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Die Ermittlungsgruppe saß in Mats Duvalls Büro versammelt. Ihre Gesichter waren blass, die Mienen verbissen.
»Haben wir irgendeine Ahnung, wohin zum Teufel sie verschwunden sind?«, fragte Jacob und nahm gegenüber von Sara Höglund Platz.
Die Polizeidirektorin schüttelte den Kopf.
»Sie haben das Grand Hotel durch den Hintereingang verlassen. Seitdem sind sie wie vom Erdboden verschwunden.«
»Und der Schlüssel?«
»Gehört zu einem Schließfach, so viel wissen wir.«
Jacob schlug mit der Faust auf den Konferenztisch, dass die Kaffeetassen sprangen.
»Wir haben eine landesweite Fahndung herausgegeben und Interpol eingeschaltet«, beeilte sich Mats Duvall zu sagen. »Arlanda, Skavsta, Landvetter, Västerås, Sturup und alle anderen Flughäfen mit internationalen Verbindungen sind in erhöhter Alarmbereitschaft. Die Öresundbrücke nach Dänemark ist abgeriegelt, sämtliche Fahrzeuge werden durchsucht. Die Häfen sind informiert. Die Grenzstationen auch. Die Überwachung sämtlicher Reichsund Europastraßen ist intensiviert worden. Sie können Schweden nicht verlassen.«
Jacob richtete sich auf.
»Sie haben doch gerade zweieinhalb Millionen Dollar kassiert,
verdammt nochmal! Die können sich einen eigenen Jet kaufen!«
»Die gesamte Summe liegt auf einem Konto auf den Cayman-Inseln«, sagte Gabriella und blickte auf ein Dokument, das sie vor sich hatte. »Die Überweisung wurde gerade erst von der Bank bestätigt.«
Jacob war kurz davor, den Tisch umzuwerfen.
»Sie haben also im Moment kein Bargeld«, konstatierte Dessie.
The Rudolphs waren auf freiem Fuß, und sie waren abgetaucht, in einem Land, das weniger Einwohner als New York hatte und fast ebenso groß wie Texas war. Außerdem hatte Schweden eine Tausende Kilometer lange, unbewachte Grenze nach Norwegen und Finnland sowie eine ebenso lange Küstenlinie. Zwei Stunden mit einem schnellen Boot, und sie wären in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Russland, Dänemark oder Deutschland.
Es wurde still am Tisch. Gabriella Oscarsson las konzentriert in einer Akte, Mats Duvall fingerte an seinem Handy herum. Staatsanwalt Evert Ridderwall starrte geistesabwesend aus dem Fenster.
Beim Anblick des fetten kleinen Mannes ballte Jacob die Fäuste.
Er war an allem schuld, er hatte die Schweine freigelassen.
»Was hat die Analyse der Website ergeben?«, fragte Dessie schließlich.
Sara Höglund beugte sich vor.
»Ihre erste Schlussfolgerung war richtig«, antwortete sie. »Die Geschwister Rudolph haben sich selbst zu Großmeistern ihres eigenen Universums auserkoren. Ihr Projekt hat den Anspruch, das Leben, den Tod und die Kunst zu integrieren, die ultimative Ausdrucksform zu finden. Die Society of Limitless Art ist ihre Universität. Soweit wir verstehen, haben sie rund dreißig ›Schüler‹
weltweit, das heißt andere Kunststudenten, die ihr Weltbild und ihre Ambitionen teilen.«
Dessie blickte auf ihre Hände.
»Und drei andere Paare haben Examen gemacht«, sagte sie.
Die geheimen Internetseiten hatten detaillierte Instruktionen enthalten, wie man in diesem eigenartigen Projekt der Gesellschaft für grenzenlose Kunst sein Examen ablegte oder »dissertierte«, wie die Geschwister es nannten. Indem er den Tod auf eine besonders künstlerische Weise hervorbrachte, schwang sich der Mensch zum Schöpfergott auf und wurde damit unsterblich.
Der ganze Handlungsablauf des »Werkes« war detailliert beschrieben, von den Dialogen beim Anbaggern der Opfer bis zu genauen Anweisungen, wie der Champagner, die Augentropfen und das Messer anzuwenden waren. Alle Ansichtskarten und Polaroidfotos waren als Jpeg-Dateien auf die Website hochgeladen worden, außerdem gab es weiterführende Links und PDF-Dateien zur Medienberichterstattung in allen Ländern. Dies war ein wichtiger Bestandteil des Kunstwerks.
»Aber kein Doktorand hat bei der Disputation die höchste Punktzahl erhalten«, sagte Jacob und hörte selbst, wie heiser seine Stimme klang. »Die Amateure haben die Morde immer irgendwie verhunzt. Die Motive ihrer Ansichtskarten hatten keinen Symbolwert, und es ist ihnen nicht gelungen, bekannte Kunstwerke auf ihren Polaroidfotos nachzuahmen.«
Niemand sagte etwas dazu.
»Es ist nicht so einfach zu töten, ganz gleich, wie motiviert oder belesen man ist«, sagte Jacob leise. »Die Schüler gerieten in Panik, sie verloren die Kontrolle über die Situation.«
»Die Morde in Athen, Salzburg und
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