Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
in Tritt gekommen war. Und erheblich getrübt wurde der Morgen von der Leiche, die unter einer Plane unweit des Jagdhauses Seewiese ihren hoffentlich ewigen Frieden gefunden hatte.
Vor einer Stunde, um fünf Uhr in der Früh, war er von seinem Handy aus dem Schlaf geschreckt worden. „Auf, Gasperlmaier, in fünf Minuten sind Sie vor der Tür, wir holen Sie ab!“, hatte die Frau Doktor Kohlross ihm ins Ohr gebrüllt, und schlaftrunken war er in seine Uniform gefahren, hatte missmutig seine in alle Richtungen stehenden Haare zu bändigen versucht, beim Schuheanziehen ein Schuhband abgerissen, geflucht, ein Glas Wasser getrunken, und schon war er im Streifenwagen gesessen, den der Kahlß Friedrich lenkte, während die Frau Doktor Kohlross auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. „Geben S’ Gas, Herr Kahlß!“, stachelte die Frau Doktor den Friedrich an, und der trieb den Opel mit heulender Sirene durch den Ort, dass dem Gasperlmaier Hören und Sehen verging und er sich beeilte, sich anzuschnallen. „Wir haben schon wieder einen Toten!“, informierte ihn die Frau Doktor Kohlross mit ganz flacher, kraftloser Stimme, so, als hätte sie alle Hoffnung fahren lassen, der Ausrottung der Altausseer Bevölkerung Einhalt gebieten zu können. Das Anschnallen hätte sich Gasperlmaier allerdings sparen können, denn kaum hatte er den Gurt ins Schloss gebracht, war die Fahrt auch schon zu Ende. „Am schnellsten geht’s mit dem Boot!“ Etwas zu hastig lenkte der Friedrich das Fahrzeug die steile Zufahrt zur Bootsanlegestelle beim Seehotel hinunter, und Gasperlmaier fürchtete schon, die Fahrt würde nicht am, sondern im See enden. Die Frau Doktor kreischte auf, doch der Friedrich brachte den Wagen gerade noch zum Stehen, während die Feuerwehrleute, die an der Plätte warteten, bereits zur Seite spritzten, um nicht überfahren zu werden.
Auf der Bootsfahrt fror der Gasperlmaier erbärmlich, denn es war zu dieser frühen Stunde noch bitterkalt, und er hatte lediglich ein Hemd an, das schon ein wenig roch, und die Uniformjacke. Woher die Frau Doktor Zeit genommen hatte, eine Wanderjacke aufzutreiben und überzuziehen, war dem Gasperlmaier schleierhaft. Interessiert betrachtete er ihre gegenüber gestern auch sonst veränderte Erscheinung. Außer der roten Wanderjacke, die sie bis oben zugezippt hatte, sodass Gasperlmaier ein Blick auf darunter liegende Kleidungsstücke verwehrt blieb, trug sie Jeans und halbhohe Sportschuhe. „Beim Jagdhaus Seewiese ist eine männliche Leiche gefunden worden. Kopfverletzung. Mehr wissen wir noch nicht. Ob es ein Unfall war oder …“ Offenbar, dachte Gasperlmaier, mochte sie das Wort, das ihr auf der Zunge lag, gar nicht aussprechen. Keine Spuren, keine Verdächtigen, aber ein dritter Mord? Furchtbar wäre das für ihre Ermittlungen.
Der Bootsführer ließ die Plätte sanft auf die Uferböschung gleiten. Gasperlmaier erinnerte sich daran, dass er der Frau Doktor keinesfalls beim Aussteigen behilflich sein durfte und dass er darauf zu achten hatte, nicht selbst ins Wasser zu steigen. Heute, bei dieser morgendlichen Kälte, wäre ein wassergefüllter Schuh bedeutend unangenehmer gewesen als gestern in der nachmittäglichen Hitze. Außerdem hatte die Frau Doktor heute ohnehin passendes Schuhwerk an. Fast konnte er ihr nicht folgen, als sie im Laufschritt auf die Gruppe in weißen Overalls zueilte. Mittlerweile war Gasperlmaier der Anblick der Tatortspezialisten vertraut, die am Auffindungsort einer Leiche, wenn sie nicht gerade die eines friedlich im Krankenhaus Verschiedenen war, jedes Dreckwuzerl einsammelten, um es zu untersuchen und den Täter dingfest zu machen. Bei der Leiche der Frau Naglreiter, natürlich, hatten sie das nicht gekonnt. Da wären ja auch, schwimmend, kaum irgendwelche Spuren des Täters zu sichern gewesen.
Als sie die Gruppe erreichten, nahm Gasperlmaier eine silbrig glänzende Plane wahr, die offenbar die Leiche zudeckte. Um sie herum kratzte einer der Weißgekleideten mit einem löffelartigen Instrument auf dem Boden herum, während ein anderer damit beschäftigt war, eine weiße Masse auf dem Boden zu verstreichen. „Ein Schuhabdruck?“, fragte die Frau Doktor. Der Spachtler nickte. „Machen Sie sich aber nicht allzu viele Hoffnungen. Das ist ein Wanderweg. Es gibt viel zu viele Abdrücke von viel zu vielen Schuhen. Wir nehmen nur die in unmittelbarer Nähe des Fundorts und die, bei denen wir annehmen, dass der Träger der Schuhe den Abdruck im Stehen
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