Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Titel: Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
Vom Netzwerk:
zugetraut, schob er der Christine das Stamperl wieder hin, die es, diesmal aber nur zur Hälfte, nachfüllte.
    „Ich hab doch vor dem Haus von der Evi noch mit der Natalie geredet“, fuhr Gasperlmaier fort. „Und da sollten wir noch einmal drüber reden, ich mein, ich glaub, ich muss dir da was sagen. Und fragen, ob wir die Frau Doktor darüber informieren müssen.“ Der Kahlß Friedrich warf einen skeptischen Blick auf die Christine, dann auf Gasperlmaier, der ihn richtig deutete. „Die Christine hat gute Ideen. Und sie ist auch kein Tratschweib. Vielleicht kann sie uns helfen.“ Der Friedrich nickte ergeben, sinnierend sein leeres Stamperl vor die Augen haltend.
    Und dann erzählte Gasperlmaier alles, was er aus der Natalie herausgeholt hatte: dass es der alte wie der junge Naglreiter auf sie abgesehen gehabt hatten, dass sie im Naglreiter’schen Haus schwimmen gewesen war, und dass sie glaubte, der Stefan Naglreiter liebe sie und werde sie mit nach Wien nehmen, sobald sie achtzehn sei. Und dass er, Gasperlmaier, vermute, die Natalie habe ein Verhältnis mit dem Stefan Naglreiter.
    Die Christine starrte den Gasperlmaier ungläubig an. „Weißt du, ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier in Altaussee nicht auffällt, wenn zwei miteinander gehen. Die werden doch dann und wann wo gesehen, und jeder erzählt das doch weiter, die Freunde der beiden, die müssen doch was gewusst haben. Unsere Kinder müssten was gewusst haben.“
    Der Friedrich grunzte zustimmend. „Ich glaub’s auch nicht, Gasperlmaier. Die hat sich da was zusammengesponnen, du hast es ja selber gesehen, wie sie sich aufführt. Der kommen ihre Traumwelt und die Wirklichkeit momentan durcheinander. Aber dass der alte Naglreiter auf ihr hübsches Arscherl aufmerksam geworden ist, das kann ich mir gut vorstellen. Der ist ja als geiler Bock verschrien im ganzen Ort.“ Die Christine bedachte den Friedrich mit einem strafenden Blick, und der verstand sofort, dass er seiner derben Ausdrucksweise galt. „Entschuldigung, das ist mir so rausgerutscht.“ Die Christine behielt ihren strengen Blick bei. „Nur das, was auch drinnen ist, kann herausrutschen, lieber Friedrich!“, fügte sie in vorwurfsvollem Ton hinzu. Wie oft hatten er und die Kinder diesen Spruch schon zu hören bekommen, dachte Gasperlmaier bei sich.
    „Gasperlmaier, da hat dir deine Fantasie einen Streich gespielt“, meinte die Christine. „Selbst wenn die Natalie von einer Beziehung mit dem Naglreiter Stefan träumt, selbst wenn er sie verführt und ausgenutzt hat, ist es doch nicht sehr wahrscheinlich, dass sie irgendwas mit der Mordgeschichte zu tun hat. Wie käme sie denn dazu, die Frau Naglreiter in den See zu schmeißen, zum Beispiel, nachdem sie sie erschlagen hat? Und warum hätte sie das tun sollen?“
    Gasperlmaier war entsetzt über Christines Gedankengänge. So weit hatte er niemals gedacht. Ihn hatte es schon genug beschäftigt, dass die Natalie und die Evi irgendwie in diese fatale Sache verwickelt waren. Sich präzise Gedanken dazu zu machen, hatte er noch keine Gelegenheit gefunden.

10
    Was für ein wunderschöner Morgen, dachte Gasperlmaier, als er am Ufer des Altausseer Sees stand und über den See hinweg zum Dachstein blickte, der aus seinem rasch schwindenden Gletscher den Gipfel in den blitzblauen Himmel emporreckte. Die Seewiese breitete sich vor ihm aus, mit den verstreuten Felsblöcken, die vor Jahrtausenden vom Loser oder der Trisselwand heruntergepoltert sein mochten und diesen Platz zu einem der schönsten machten, die Gasperlmaier kannte. Wie schön, dachte Gasperlmaier, könnte so ein Morgenspaziergang an so einem Tag sein, wenn man sich aus dem Haus machte, solange alle noch schliefen, auf den Weg um den See einböge, während noch kein Geräusch außer dem Zwitschern der Vögel zu hören wäre, vielleicht auf dem Weg um den See dem einen oder anderen Fischer begegnete, der bis zu den Oberschenkeln im Wasser stünde und in weit ausholendem Schwung seine Angel auswürfe und zappelnde Saiblinge und Forellen an Land zöge, die schon zu Mittag gebraten und gegessen wären. Wenn man am Ende gar seine Kleider von sich würfe, da einen ja niemand sähe, und eine Runde im eiskalten, frischen Wasser des Sees schwämme, dann wäre so ein Morgen göttlich. Freilich, dachte Gasperlmaier, freiwillig würde er das kaum jemals erleben, denn ohne Zwang gelang es ihm nur äußerst selten, aus dem Bett zu finden, bevor die Welt um ihn herum Atem geholt hatte und

Weitere Kostenlose Bücher