Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
den Schnaps hinunter, worauf sich sein heftiges Schnaufen ein wenig beruhigte. Gasperlmaier hatte seinen nur zur Hälfte geleert, die Christine hatte nur genippt.
„Ich hab grad einen Anruf gekriegt. Vom Bezirkspostenkommandanten. Von dem Herrn Magister, aus Liezen. Der hat mich zusammengeschissen wegen dem Fernsehen. Wo wir vor dem Bierzelt … ein Bier getrunken haben … in der Mittagspause.“ So wenig Atem hatte der Kahlß Friedrich, dass er nach jedem seiner kurzen Sätze eine Pause einlegen musste. „Und der hat“, fuhr der Friedrich fort, „einen Anschiss bekommen … vom Landespolizeikommandanten, sagt er. Und der sagt … der Herr Magister, mein ich … dass sogar jemand aus dem Innenministerium!“ Jetzt schwieg der Kahlß Friedrich und schob der Christine das Stamperl hin. Sie stand wortlos auf und füllte nach, der Friedrich stürzte auch den zweiten Obstler in einem Zug hinunter. „Auf jeden Fall, wir haben Erklärungsbedarf … sagt der Herr Magister … in Liezen.“ Damit ließ er sich ein wenig zurücksinken. Gasperlmaier hatte keine klare Vorstellung davon, was sie beide jetzt hatten. Was genau war ein Erklärungsbedarf und wer sollte wem was erklären? Der Kahlß Friedrich aber hob sofort an, dem Gasperlmaier den Erklärungsbedarf zu erklären, indem er eine seiner riesigen Pranken durch die Luft im Gasperlmaier’schen Wohnzimmer sausen ließ. „Der Herr Magister will genau wissen … was wir … und warum wir dort beim Bierzelt … und dass wir während dem Dienst keinen Alkohol … und wenn das noch einmal passiert … und wir müssen einen Bericht.“ So ungefähr konnte sich der Gasperlmaier nun vorstellen, was der Friedrich und der Herr Magister unter diesem Erklärungsbedarf verstanden. Eigentlich war er recht beruhigt, dass dienstrechtlich bei der ganzen Geschichte nicht mehr als ein Erklärungsbedarf herausgekommen war.
„Sehr geschickt war das von euch freilich nicht“, mischte sich die Christine ein. „Ihr hättet wissen müssen, dass man einen Mordfall nicht wie einen Mopeddiebstahl behandeln kann und so weitermacht wie üblich. Ihr hättet ja auch in der Wachstube jausnen können, wenn schon klar ist, dass ein Fall vorliegt, der die Medien interessiert.“ Die beiden Männer schwiegen verlegen und versuchten den Blicken der Christine auszuweichen. „Ja, du hast leicht reden!“, meinte Gasperlmaier dann, „die Frau Doktor hat mich ja förmlich hingeschleift zum Bierzelt, und dass die überhaupt haben aufmachen dürfen, das hat ja die Frau Doktor veranlasst!“
„Dass sie euch in der Öffentlichkeit hat Bier trinken lassen, nach diesem Vorfall, das finde ich auch von ihr nicht gescheit. Anscheinend hat sie auch nicht mit so promptem Medieninteresse gerechnet.“ Die Christine legte den Finger an den Mund, als müsse sie über etwas nachdenken. „Möglicherweise stammt das Bildmaterial über euch gar nicht von jemandem, der wegen des Mordes angereist ist, sondern von irgendeinem Lokalsender, der sowieso dauernd jemanden auf dem Kirtag herumstehen hat.“ Gasperlmaiers Zorn auf die Medien begann sich zu vertiefen und zu konzentrieren, musste er doch gerade in diesem Moment wieder daran denken, wie ihm schon gestern, als die Welt noch in Ordnung gewesen war, ein lästiges Kamerateam aufgefallen war, das sich in der Nähe des Pissoirs herumgetrieben und am Ende sogar Benutzer desselben gefilmt hatte.
„Das ist jetzt auch schon wurscht.“ Mit einem ärgerlichen Wedeln seiner Handfläche versuchte der Kahlß Friedrich nun wieder die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Es darf nichts mehr passieren, Gasperlmaier, wir dürfen keinen Fehler mehr machen.“
Gasperlmaiers Gedanken waren abgeschweift. Hoffentlich hatte niemand auf den Auslöser gedrückt, als er in der Plätte praktisch mit dem Gesicht auf dem Hintern der Frau Doktor Kohlross zu liegen gekommen war. Oder als er am Ufer ungeschickt ins knöcheltiefe Wasser gepatscht war. Was für Peinlichkeiten mochten noch auf Film oder Magnetband gebannt worden sein? Gasperlmaier wollte es sich gar nicht ausmalen.
Der Kahlß Friedrich machte Anstalten, sich zu erheben. „Wart noch einen Moment, Friedrich!“, hielt ihn Gasperlmaier zurück. Recht schwer war der Friedrich nicht zu überreden, denn er ließ sich, kaum dass er seinen Hintern ein klein wenig aus dem Polstersessel gelupft hatte, gleich wieder hineinfallen, und in der gleichen Bewegung, so viel Koordination und Geschmeidigkeit hätte Gasperlmaier ihm gar nicht
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