Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
Andeutung einer Verbeugung. Wohl aus Sorge, er könnte ihre Hand küssen wollen, zog die Frau Doktor die ihre rasch zurück. Gasperlmaier beobachtete, wie sie beide ihre Augenbrauen hochzogen. Schon schien die Stimmung wieder gefährdet, aber der Doktor Kapaun ließ sich offenbar nicht so rasch aus der Ruhe bringen.
Im Schlepptau des Gerichtsmediziners hatte sich auch das Pressetrio wieder genähert, der Kameramann mit seinem Gerät im Anschlag. Das rote Licht, fiel Gasperlmaier auf, blinkte. Wahrscheinlich hatte er also ein Band laufen. Gasperlmaier zupfte die Frau Doktor sacht an der Schulter, worauf sich diese erstaunt zu ihm umdrehte. Vorsichtig wies Gasperlmaier auf die Kamera. „Ich glaub, er filmt!“, flüsterte er der Frau Doktor ins Ohr. Gleich darauf erfasste ihn ein heftiger Niesreiz. So nah hatte er sich dem Ohr der Frau Doktor genähert, dass ein paar ihrer losen Haare, die hinter dem Ohr hervorgerutscht waren, seine Nase gekitzelt hatten. Gerade noch konnte er seinen Kopf ein wenig zurückziehen, doch dass er der Frau Doktor kräftig den Rücken hinunternieste, war nicht mehr zu vermeiden gewesen. Da die Frau Doktor nur mit einem „Gesundheit!“ reagierte, hoffte er, dass die neuerliche Peinlichkeit nicht allzu sehr aufgefallen war. Doch, dachte Gasperlmaier bei sich, der Kameramann hatte sicherlich mitgefilmt. Würde er neuerlich in Fernsehen und Presse als Idiot vorgeführt werden? Gasperlmaier trat einen Schritt zurück, während die Frau Doktor sich an die Presseleute wandte. „Bitte verlassen Sie das abgesperrte Gelände. Ich muss Sie dringend bitten, nicht mehr zu filmen. Sie müssen doch nicht unbedingt eine Leiche ins Fernsehen bringen, oder?“ Der Mann setzte seine Kamera ab, nickte und machte eine beschwichtigende Handbewegung. Die Maggy, so schien es Gasperlmaier, wollte am Absperrband stehen bleiben, doch der Kameramann nahm sie am Oberarm und zog sie mit sich zurück.
„Wir haben hier also schon wieder eine Leiche. Schauen wir doch mal.“ Doktor Kapaun trat an die Plane heran, riss an einem Zipfel und schlug sie in einer ausladenden Bewegung zurück, sodass der Stefan Naglreiter nun völlig ohne Bedeckung vor ihnen lag. Peinlich berührt musste Gasperlmaier wahrnehmen, dass es plötzlich kräftig nach Urin und Kot roch. Gasperlmaier verzichtete darauf sich auszumalen, wie es dem Stefan Naglreiter in den letzten Minuten seines Lebens ergangen sein mochte. Auch er trug, wie sein Vater, eine sehr teure, maßgeschneiderte Lederhose, wie Gasperlmaier mit Kennerblick sofort feststellte. „Ang’schissen und ang’macht hat er sich, der fesche junge Mann!“ Fröhlich und unbeeindruckt lachte der Mediziner den um ihn versammelten Polizisten zu. Die Frau Doktor hatte offenbar nicht vor, der gesamten Prozedur zuzusehen. „Bitte tun Sie, was zu tun ist. Wir erwarten Ihre Informationen, sobald Sie so weit sind.“ Sie wandte sich ab und bedeutete Gasperlmaier und dem Friedrich, ihr zu folgen.
Inzwischen war es warm geworden, und die drei setzten sich an einen Tisch vor dem Jagdhaus, an dem ein Sonnenschirm Schatten spendete. „Rekapitulieren wir einmal!“, begann die Frau Doktor, weder direkt an Gasperlmaier noch an den Friedrich gewandt. Fast schein es Gasperlmaier, als spräche sie mehr zu sich selbst als zu einem von ihnen beiden. „Der Doktor Naglreiter wird in der Nähe des Bierzelts erstochen. Mit einem Hirschfänger wahrscheinlich, so einem kurzen Messer, wie man es in der Lederhose trägt. Er muss sich selbst noch dort hingesetzt haben, denn im Sitzen ist nicht auf ihn eingestochen worden. Eher von einer Person, die kleiner war als er. Vielleicht von einer Frau. Er hat stark geblutet, war aber so stark alkoholisiert, dass er offenbar die Schwere der Verletzung nicht wahrgenommen hat. Er setzt sich also an einen Biertisch und verblutet dort. Niemand ist mehr im Bierzelt. Frühmorgens wird er“, die Frau Doktor bedachte den Gasperlmaier mit einem schneidenden Blick, „von einer bislang unbekannten Person in das Pissoir verbracht. Er ist zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Stunden tot. Noch sind keine Zeugen aufgefunden worden, die ihn um die Zeit seines Todes gesehen haben. Fast alle, die wir befragt haben, können sich entweder nicht an den Doktor Naglreiter erinnern, oder sie haben überhaupt alles vergessen, was in der besagten Nacht passiert ist. Die letzte verlässliche Aussage von einem Zeugen stammt von kurz vor Mitternacht. Da hat ihn jemand gesehen, wie er auf dem Klo
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