Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
…“
Die Frau Doktor sprang auf, stemmte die Arme in die Hüften und beugte sich zu Gasperlmaier vor: „Sie wollen mir aber jetzt nicht erzählen, dass Sie gewusst haben, dass die Naglreiters ein Boot besessen haben? Und mich nicht darüber informiert haben? Mich dumm sterben lassen haben?“ Gasperlmaier setzte zu einer Verteidigung an: „Aber Sie sind doch gar nicht … äh … leben doch …“ Die Frau Doktor schoss mit ihrem Zeigefinger auf ihn: „Kommen Sie mir jetzt nicht mit Spitzfindigkeiten! Da plage ich mich, wir uns, mit Dutzenden Zeugen herum, kommen keinen Schritt weiter, und der, der die ganze Zeit neben mir herläuft, enthält mir eine wichtige, ja essentielle Information vor!“
Gasperlmaier fühlte, wie seine Ohren neuerlich zu glühen begannen. Er konnte machen, was er wollte, die Serie von Peinlichkeiten, in die er seit gestern Morgen hineingeschlittert war, mochte und mochte nicht abreißen. „Und woher eigentlich wissen Sie das?“ Die Frau Doktor setzte sich wieder. Der Paul war schon auf den Disput aufmerksam geworden und schaute interessiert von seiner Veranda aus zu. Hoffentlich, dachte Gasperlmaier, hat er jetzt nichts mitbekommen, davon, wie ich mich wieder einmal blamiert habe. Der Paul hatte den Gasperlmaier wieder abgelenkt, und so verzögerte sich seine Antwort so, dass die Frau Doktor in die Stille dazwischenfahren musste: „Jetzt reden S’ doch endlich, Gasperlmaier!“
„Die Natalie hat’s mir erzählt, die Tochter von der Evi. Die Frau, die gestern so geheult hat, als wir die Frau Naglreiter ans Ufer gebracht haben.“
„Gasperlmaier“, seufzte die Frau Doktor, „Sie werden mir langsam unheimlich. Was hat Ihnen diese Natalie über das Boot der Naglreiters erzählt, und was hat sie überhaupt mit der ganzen Sache zu tun?“ Der Kahlß Friedrich mischte sich ein. „Sehen Sie, Frau Doktor“, der Friedrich legte seine Hand auf den Unterarm der Frau Doktor Kohlross, der unter seiner Pranke beinahe zur Gänze verschwand, „wir haben doch heute noch gar keine Gelegenheit gehabt, darüber zu reden, was der Gasperlmaier und ich gestern herausgefunden haben. Wir waren doch noch bei der Evi, Sie erinnern sich, meine Schwägerin, die so geheult hat, und haben mit ihr über das Putzen bei den Naglreiters geredet.“ Und dann berichtete der Friedrich, was ihnen die Evi gestern über die Nachstellungen seitens des Doktor Naglreiter, ihre Person und die Natalie betreffend, erzählt hatte. Die Frau Doktor betrachtete aufmerksam ihren Unterarm, wohl besorgt, dachte Gasperlmaier, dass der Friedrich ihn ungewollt zerquetschen könnte. Der Friedrich, obwohl mitten im Redefluss, bemerkte das und zog seine Pratze zurück, um seine Ausführungen mit weit ausladenden Handbewegungen zu untermalen, derart, dass Gasperlmaier mehrmals einen kräftigen Luftzug zu verspüren meinte, ausgelöst durch die segelartigen Pranken des Kahlß Friedrich.
„Und dann“, endete der Friedrich, „dann ist der Gasperlmaier der Natalie nachgerannt, und er hat mit ihr allein draußen vor der Haustür …“ Die Frau Doktor unterbrach den Friedrich und wandte sich neuerlich – unter Hochziehen ihrer Augenbrauen – dem Gasperlmaier zu. „Sie haben allein … mit einer Zeugin? Einer Minderjährigen? Gasperlmaier!“
Jetzt aber war sich Gasperlmaier keiner auch noch so geringfügigen Schuld bewusst. „Ich kenn doch die Natalie schon, seit sie ein kleines Kind war, ich hab doch schon im Sand gespielt mit ihr, wie sie noch ganz klein und nackert war, und sogar im Kinderskikurs war ich ihr Skilehrer! Das ist für mich doch keine minderjährige Zeugin!“ Fast in Eifer redete sich Gasperlmaier, sich selbst verteidigend, und die Worte flossen von seinen Lippen, wie es ihm nur selten gelang. „Und ich hab eine ganze Menge erfahren, unter anderem das mit dem Boot!“ Die Frau Doktor gab sich unbeeindruckt. „Ich höre, Gasperlmaier!“ „Ja, die Natalie, die ist ein ziemliches Problemkind, momentan.“ Er hielt es für notwendig, der Frau Doktor die gesamten näheren Umstände des Verhaltens der Natalie näherzubringen, sonst würde sie nicht verstehen. Trotzdem wusste er nicht so recht, wo ansetzen. „Die Natalie, die hat ein Nabelpiercing. Und jetzt will sie auch noch ein Tattoo, weil die Höller Sabrina, ihre Freundin, auch eins hat. Und gestern hat sie sogar eine solche Unterhose angehabt, nur mit einem Schnürl durch …“ Gasperlmaier unterbrach sich abrupt, als er der Frau Doktor in die Augen
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