Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
zwar fast täglich, um miteinander zu lernen oder fortzugehen, dennoch sträubte sich der Christoph dagegen, sie als seine Freundin zu bezeichnen, und warf seinen Eltern vor, bei Beziehungen immer nur an Sex zu denken. Früher, dachte Gasperlmaier, hatten das die Eltern den Kindern vorgeworfen. So war es zumindest bei ihnen zu Hause gewesen, schon zu einer Zeit, als bei Gasperlmaier an Sex mangels interessierter Partnerinnen noch nicht einmal annähernd zu denken gewesen war.
Gasperlmaier wandte sich wieder der Frau Doktor zu, unsicher, ob er ihr Auskunft darüber geben musste, dass sein Sohn hier in Gesellschaft des verdächtigen Marcel Gaisrucker anzutreffen war. Das Gespräch war bereits bei Einzelheiten zum Verbleib des Marcel am fraglichen Nachmittag angelangt.
„Und Sie waren an diesem Nachmittag nicht im Bootshaus?“ „Vielleicht war ich dort. Ich weiß es nicht mehr.“ Aus den Fernsehkrimis wusste Gasperlmaier, dass der Marcel damit praktisch zugegeben hatte, dort gewesen zu sein. Wenn einer so herumredete, mit „vielleicht“, und sich an nichts erinnern konnte, dann war er’s natürlich gewesen.
„Also noch einmal, Herr Gaisrucker. Wir gehen einen Schritt zurück. Sie haben die Ines gegen zwanzig Uhr getroffen, und zwar auf dem Kirtag, direkt bei dem Fahrgeschäft, das Sie als Tagada bezeichnen. Woher sind Sie da gekommen? Was war genau Ihr Weg dorthin, und wo hat er begonnen?“
Der Marcel stützte den Kopf in die Hände und schwieg. Die Frau Doktor drehte sich zu Gasperlmaier um. „Gasperlmaier, können Sie mir noch die Personalien der jungen Leute aufnehmen? Und vielleicht auch gleich fragen, ob sie in der fraglichen Zeit den Marcel Gaisrucker gesehen haben? So zwischen sechs und acht Uhr am Abend, am Sonntag?“
Die Personalien erheben sollte er? Er sollte sich zu den Mädchen dort hinsetzen und Namen und Adressen aufschreiben, während ihm der Busen der Schwarzhaarigen förmlich ins Gesicht sprang? Das konnte die Frau Doktor nicht ernst meinen. Dennoch zögerte er zu widersprechen. „Noch was?“, fragte die Frau Doktor, wie es Gasperlmaier schien, ein wenig ungeduldig. Gasperlmaier nickte ergeben. Das Schwitzen wurde stärker. Er fühlte bereits seine Ohren glühen, als er sich sicherheitshalber zuerst dem jungen Mann näherte, der am Waldrand mittlerweile dazu übergegangen war, Steine über die beiden Mädchen hinweg ins Wasser zu werfen. Die Ines saß immer noch und versuchte offenbar, irgendetwas von dem Gespräch aufzuschnappen, das in der Plätte geführt wurde. Die Schwarzhaarige lag auf dem Bauch und hatte ihr Gesicht in ihrem Arm vergraben. Gasperlmaier hockte sich neben den jungen Mann und zückte sein Notizbuch. „Ich brauch eure Personalien.“ „Was brauchst du?“ Der junge Mann ließ sich nicht einmal in seiner Tätigkeit unterbrechen und warf weiter konzentriert Steine ins Wasser, ohne Gasperlmaier auch nur mit einem Blick zu streifen. „Wie du heißt, wo du wohnst und so weiter.“ „Zu was braucht’s ihr das?“ Der Bursch wandte sich nun doch Gasperlmaier zu. In seiner Unterlippe steckte ein metallener Knopf. Gasperlmaier fragte sich, wie sich das wohl innen drinnen anfühlte, wenn da so ein Metallknopf zwischen Kiefer und Lippe herumwetzte.
Gasperlmaier beschloss, etwas offizieller zu werden. „Das hier ist eine Mordermittlung, und hier handelt es sich um Zeugen oder auch Beteiligte. Wir brauchen eure Personalien.“ „Und wenn ich dir meine Personalien nicht sag? Was machst du dann?“ Gasperlmaier fühlte, wie ihm die Situation entglitt. Ob er es bei dem Burschen auch mit der Drohung mit Polizeiauto, Handschellen und Polizeiposten versuchen sollte? Gasperlmaier probierte es noch einmal im Guten. „Wir haben gar nichts gegen euch, gar kein Problem, eigentlich ist nur der Marcel verdächtig, aber wir könnten eure Daten als Zeugen benötigen.“ Weiter warf der Bursch Steine ins Wasser. „Florian Schwaiger“, murmelte er schließlich, was Gasperlmaier unglaublich erleichterte. „Aus Bad Ischl. Ich kenn den Christoph“, er deutete mit dem Kinn kaum wahrnehmbar auf den Sohn Gasperlmaiers, „vom Skifahren. Wir sind bei ein paar Skiclubrennen gegeneinander gefahren. Er hat immer gewonnen.“ Gasperlmaier setzte nach: „Genaue Adresse?“ „Leschetizkygasse zwölf.“ Gasperlmaier notierte und wandte sich den beiden Mädchen zu, ein wenig beruhigter. Schließlich war die Ines bekleidet, und ihre Daten waren schon bekannt. Die Schwarzhaarige lag auf dem
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