Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
von ihr aufgenommen haben! Herrgottsakrament, noch einmal!“ Die Frau Doktor zuckte fast ein wenig zurück vor seinem Ausbruch, denn so hatte sie ihn natürlich noch nicht kennengelernt, aber wenn das Fass einmal überlief, dann konnte Gasperlmaier schon auch einmal laut werden.
Die Frau Doktor bemühte sich, zur Sache zurückzukehren. „Haben Sie die Personalien und die Aussagen über gestern am frühen Abend?“ „Nein!“ brummte Gasperlmaier zurück, dem Marcel, der immer noch auf der Bank in der Plätte saß, schaute er dabei direkt ins Gesicht. „Damit Sie es gleich wissen: Zwei haben sich davongemacht. Sie sehen es ja selber. Und die zwei waren mein Sohn Christoph und seine Freundin. Und fragen Sie mich bitte nicht, warum ich mich so blöd angestellt habe, dass die zwei wegkonnten. Die finden wir schon noch. Und bitte“, Gasperlmaier wurde leiser, nahm die Frau Doktor bei der Schulter und wandte sich von der Plätte ab, „trampeln Sie nicht darauf herum, dass mir die zwei entwischt sind, weil ich dreimal zu oft auf den Busen von der da drüben geschaut habe. Das weiß ich selber“, fügte er hinzu, während die Wut schon fast gänzlich aus ihm herausgelaufen war. Die Frau Doktor schaute erstaunt, blieb aber stumm. Gasperlmaier versuchte in ihren Blicken zu lesen und konnte keinen Zorn und keine Verachtung entdecken, vielleicht sogar etwas wie Respekt. Beide ließen es bleiben, die Angelegenheit noch weiter zu kommentieren, und wandten sich wieder der Plätte zu. Sie stiegen vorsichtig ein und teilten sich die Bank gegenüber von Marcel. Keiner von ihnen hatte Lust, sich neben den Burschen zu setzen.
Plötzlich fiel Gasperlmaier ein, dass er der Frau Doktor eine wichtige Aussage der Eva bisher unterschlagen hatte. „Der da“, er deutete auf den Marcel, „ist vorgestern, so um halb acht, auf dem See gewesen. Mit einer Plätte. Und einer blonden Frau.“ Gasperlmaier zog die Speicherkarte aus der Brusttasche. „Auf der Karte da ist ein Foto drauf, das die Aussage beweist. Die Eva hat ihn fotografiert!“ Zufrieden mit sich reichte er die Karte der Frau Doktor, die sie mit spitzen Fingern entgegennahm und aufmerksam begutachtete. Der Marcel blickte verständnislos zu Gasperlmaier, dann hinüber zu den beiden Mädchen, die jetzt, das sah auch Gasperlmaier, ihre Sachen zusammenpackten. Wobei es die Eva offenbar für wesentlich hielt, alles andere zuerst zusammenzusuchen, bevor sie sich etwas anzog.
„Stimmt das, Herr Gaisrucker?“, fragte die Frau Doktor. Der spielte auf Zeit: „Wann soll das gewesen sein? Ich fahr ja oft mit einer Plätte herum, der Niedergrottenthaler …“ Die Frau Doktor ließ ihn gar nicht erst ausreden. „Herr Gaisrucker, Sie haben in Bezug auf die fragliche Zeit bisher nur Blödsinn geredet und gelogen, dass sich die Balken nur so gebogen haben. Jetzt hat Sie zur fraglichen Zeit jemand auf dem See gesehen. Verdammt noch einmal, waren Sie zu diesem Zeitpunkt Bootfahren oder nicht? Begreifen Sie denn nicht, dass das Ausweichen und Herumreden jetzt nichts mehr hilft?“ Der Marcel ließ den Kopf sinken und stützte ihn in die Hände. Ganz langsam und Wort für Wort sagte er in seine schmutzigen Finger hinein: „Ich hab sie aber nicht umgebracht!“
Die Frau Doktor wies den Friedrich mit einer Handbewegung an, den Motor zu starten. Gasperlmaier stieg noch einmal aus und schob die Plätte vom Kies.
„Hallo!“, schrie plötzlich die Ines zu ihnen herüber, „und wer fährt jetzt das Boot zurück? Wir können das nicht!“ Während die Plätte mit dem Friedrich, der Frau Doktor und dem Marcel langsam ins Wasser glitt, sah die Frau Doktor dem Gasperlmaier fragend ins Gesicht. Der schüttelte energisch den Kopf: Er würde die Eva und die Ines sicherlich nicht zurück zum Bootshaus chauffieren! Indes begann der Friedrich schon die Plätte zu wenden, worauf die Frau Doktor dem Gasperlmaier bedauernd zuwinkte und mit den Schultern zuckte. Gasperlmaier war mit den beiden Mädchen allein und stieg in die Plätte, die noch am Ufer lag. „Schmeißt’s halt euer Zeug herein! Und tummelt’s euch!“
Die Ines kam mit ihrer Badetasche und einer zusammengerollten Strohmatte gerannt, während die Eva, so schien es Gasperlmaier, grinsend und provokant langsam ihre Sachen vom Boden aufhob. Wenigstens, dachte Gasperlmaier, hatte sie jetzt ein rotes Leibchen an, dessen Ausschnitt ihren Busen aber fast noch mehr betonte als die gänzliche Nacktheit. Betont lässig schwang sie sich an Bord.
Weitere Kostenlose Bücher