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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gesagt hat. Die Frist ist beinahe abgelaufen. Wir müssen das tun.»
    «Mr Shah legt uns rein. Merken Sie das nicht? Ist doch offensichtlich.»
    Kudwa stand vom Sofa auf und trat neben Mrs Puri. Er warf einen schnellen Blick auf die geschlossene Schlafzimmertür und senkte die Stimme zu einem Flüstern.
    «Sie wissen doch, welchen Ruf er hat, Sangeeta-ji.»
    Mrs Puri sah die Schuppen auf den Schultern ihres Nachbarn und roch sein Eau de Cologne. Sie nickte.
    «Wir haben das im Parlament durchgesprochen», sagte Kudwa. «Er zahlt zwar, aber er schiebt die Zahlungen so lange wie möglich auf. Warum bezahlt er also die Mitglieder von Turm B fristgemäß? Warum überweist er sogar noch
vor
dem vereinbarten Termin? Ich habe heute den ganzen Tag in meinem Internetcafé darüber nachgedacht. Jetzt kapiere ich es. Es ist ganz offensichtlich. Aber so funktionieren manche Fallen halt: Man muss sie sehen, um in sie reinzutappen. Wenn die Leute, die zurückbleiben, mitkriegen, dass ihre Nachbarn schon das Geld bekommen haben, werden sie vom Neid zerfressen. Ich rede von
uns.
Er macht aus guten Menschen schlechte Menschen. Verändert unseren Charakter. Denn er will, dass wir die Sache mit Masterji selbst in die Hand nehmen», sagte Kudwa. «Und selbst das tun, was andere Bauherren in dieser Situation mit Männern wie ihm anstellen.»
    Mrs Puri runzelte die Stirn, als dächte sie über seine Worte nach. Aber es war zu spät.
    Aus ihrem Handy kam ein Rauschen, und dann sagte eine Stimme: «Ja? Tante Sangeeta, bist du’s?»
    «Gaurav», sagte sie. «Der Bauherr hat gerade mit mir gesprochen. Ja, dieser Mr Shah. Wir sind kurz davor, alles zu verlieren.» Als sie Ibrahim Kudwa ansah, füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen.
    «Ich war doch wie eine Mutter zu dir, oder, Gaurav? Viele Jahre lang. Jetzt musst du mir helfen, Gaurav, du bist wie ein zweiter Sohn für mich, du bist meine einzige Stütze in diesem Haus, in dem niemand mich liebt und es allen egal ist …»
    Ibrahim Kudwa stand neben ihr, schüttelte den Kopf und sog Luft durch die Zähne, bevor er zu murmeln anfing: «Oioioi.»

1. OKTOBER
    Als Masterji am Morgen die Treppe hinunterkam, sah er, wie der Verwalter etwas ans Schwarze Brett hämmerte. Ohne ein Wort zu Masterji schloss Kothari die Glastür, verriegelte sie und ging mit dem Hammer in sein Büro.
    Masterji stand vor dem Schwarzen Brett. Er las die neue Bekanntmachung, schloss dann die Augen und las sie ein zweites Mal, wobei sich seine Lippen lautlos bewegten.
    AN DIE BEWOHNER DER WOHNUNGSGENOSSENSCHAFT
VISHRAM SOCIETY TURM A
    ICH, GAURAV MURTHY, SOHN VON Y. A. MURTHY, TEILE HIERMIT ALLEN MIT, DASS ICH KEINEN VATER MEHR HABE. Ich bin beschämt vom Verhalten des derzeitigen Bewohners von 3 A, Vishram. Nachdem er meiner Frau und mir versprochen hatte, die Einwilligung zu unterschreiben, hat er es nicht getan. Es ist nicht das erste Mal, dass er uns belogen hat. Eine Menge Schmuck aus dem Besitz meiner Mutter und auch Bankpapiere, die für mich und meinen Sohn Ronak bestimmt sind, wurden nie auf uns übertragen. Mein Sohn Ronak, meine Frau und ich werden die Samskara-Zeremonie anlässlich des ersten Todestages meiner Mutter allein abhalten. Wir bitten Sie alle, uns nicht mit dem Verhalten des derzeitigen Bewohners von 3 A, Vishram Society, in Verbindung zu bringen.
Unterzeichnet
Gaurav B. Murthy
Joydeep Society 5 A, Marine Lines
Mumbai
    Er setzte sich unter das Schwarze Brett. Durch die geöffnete Tür des Verwalters erblickte er Kothari, der an seinem Schreibtisch hinter seiner Remington ein Sandwich aß.
    Auf dem Treppenabsatz konnte er den streunenden Hund riechen und hörte ihn angestrengt schnaufen.
    Ich kämpfe nicht mehr gegen Mr Shah,
dachte er.
Ich kämpfe gegen meine eigenen Nachbarn.
    Durch seine Tränen hindurch sah Masterji, wie ein Moskito auf seinem Unterarm landete. Er war geschwächt und abgelenkt gewesen, und das Insekt hatte seine Chance gewittert. Während der Rüssel seine Haut durchbohrte, betrachtete er den gesprenkelten Bauch, die Beine, die ihn kitzelten. In dieser berechnenden Welt wurde keine Sekunde verschwendet. Er kämpfte nicht gegen seine Nachbarn –
dagegen
kämpfte er.
    Er klatschte sich auf den Unterarm, der Moskito wurde auf seiner Haut zu einem Blutfleck, Blut von einem anderen Menschen.
    Er ging die Treppe zu seiner Wohnung hoch, legte sich ins Bett und bedeckte das Gesicht mit dem Unterarm. Er versuchte an die Beleidigungen zu denken, die der bärtige Tagelöhner im

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