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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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der Welt kannst du dir in Bombay keine saubere Luft kaufen.»
    Der fette Mann griff in seine Hemdtasche. Er strich eine billig gedruckte Broschüre glatt und reichte sie Doktor Nayak.
    Der «König» der Vorstadtbauherren, J. J. Chacko, Geschäftsführer des Ultimex-Konzerns, ist zu neuem Ruhm gelangt. Mit dem Erwerb erstklassigen Baugrundes in Vakola, Santa Cruz (Ost), hat Mr Chacko alle Beobachter, Freunde und Konkurrenten in Erstaunen versetzt. Für das Grundstück zahlte er eine exorbitante Summe, den HÖCHSTEN KAUFPREIS, der jemals für ein Sanierungsprojekt in diesem Vorort gezahlt worden ist, trotz der gerissenen und kühnen Bemühungen verschiedener Rivalen, die es ebenfalls auf dieses Sahnestück abgesehen hatten.
    In einem Exklusivinterview erklärt Mr Chacko
Mumbai Real Estate News,
dass für den Entwurf der Luxusapartments ein Architekt aus Hongkong, dem Mekka des Modernismus, zurate gezogen wird; Mr Chacko ist fest davon überzeugt, dass er binnen weniger Monate das Areal um einen Park und eine Shopping Mall erweitern wird. Hotels, Plätze, Springbrunnen, Gärten und glückliche Familien werden folgen.
    Mit seinem Motto «Nur das Beste» feiert der Ultimex-Konzern inzwischen in ganz Mumbai Erfolge. Den Privatmann Mr Chacko, den Visionär des Ultimex-Konzerns, kennen nur wenige, er zieht es vor, die schillernde Partyszene So-Bos (South Bombay) zu meiden. Ein enger Freund sagt, Mr Chacko sei «schlau», «scheu» und «ein Familienvater, der Freude an den kleinen Dingen des Lebens hat». Er ist voller Ideen und findig, wie es sich für einen Mann der Zukunft gehört. Und er ist ein großer Menschenfreund, für sein wohltätiges Engagement wurde er mit 13 Goldmedaillen, Gedenktafeln sowie Lobesgedichten geehrt.
    Zu seinen Leidenschaften gehören Schach und Carrom.
    Der Arzt las Vorder- und Rückseite der Broschüre, drehte sie um und fing nochmals von vorn an. «Und?»
    «Das ist J. J. Chacko, Leiter des Ultimex-Konzerns. Er beherrscht das Gebiet rund um den Bahnhof von Vakola. Auf dieser Seite der Gleise besitzt er bereits drei Gebäude. Jetzt kommt er auf meine Seite. Weißt du, was er kürzlich gemacht hat? Er hat 8,1 Millionen Rupien für eine mickrige Hütte in einem Slum gezahlt. Nur damit er in aller Munde ist. Auf meinem Territorium. Schickt mir sogar diese Broschüre per Post.»
    «Und?»
    Shah nahm den Prospekt wieder an sich, faltete ihn und steckte ihn in seine Tasche zurück. Er tätschelte ihn.
    «Wie kann ich in den Urlaub fahren, wenn J. J. Chacko keine Ferien macht? Meinst du,
sein
Doktor sagt ihm, er soll einen Gang zurückschalten?»
    Doktor Nayaks Stirn legte sich in Falten.
    «Mir ist es egal, ob
er
sich umbringt. Aber du kannst dich nicht sofort ins nächste Projekt stürzen. Ich habe dich erlebt, wenn du am Handy bist. Du schreist die Leute an, du bist angespannt. Und die Luft in Vakola ist nicht gut. Tust du das alles für Satish? Was könnte er sich mehr wünschen, als einen gesunden Vater?»
    Dharmen Shah zog mit dem Finger eine lange Linie über das Fenster.
    «In dieser Stadt gibt es eine goldene Linie; eine Linie, die Männer reich macht.»
    Nun tupfte er drei Punkte auf die Linie.
    «Hier hast du den Flughafen Santa Cruz, da hast du das Bandra-Kurla-Finanzzentrum und dort den Dharavi-Slum. Warum ist das hier die goldene Linie? Flugreisen boomen. Mehr Flugzeuge, mehr Besucher. Dann –», er bewegte den Finger, «expandiert das Finanzzentrum in Bandra Kurla stündlich. Dann fängt die Regierung an, Dharavi zu sanieren. Der größte Slum Asiens wird zum reichsten Slum Asiens. Diese Gegend brodelt nur so von Geld.Täglich kommen neue Menschen und haben keine Unterkunft. Außer –», er machte Tupfen auf seine goldene Linie, «hier. Vakola. Das Fountainhead und das Excelsior werden im November dieses Jahres fertig sein. Ich habe die meisten Wohneinheiten bereits verkauft. Aber der Knaller kommt nächstes Jahr. Das Shanghai.»
    Doktor Nayak, der gegähnt hatte, schloss den Mund. Er grinste.
    «Ach,
das
schon wieder. Diese Stadt wird dich umbringen, Dharmen.»
    «Du hättest mit mir kommen sollen. Straßen, so weit das Auge reicht, Wolkenkratzer, alles blitzblank, bildschön. Diese Chinesen haben die gesamte Willenskraft der Welt gepachtet. Und wir hier haben seit der Unabhängigkeit nicht mal zehn Minuten lang Willenskraft aufgebracht.»
    Der Arzt lachte leise, stand vom Sofa auf und ging zum Fenster hinüber. Er reckte sich.
    «Für einen indischen Geschäftsmann in mittleren

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