Letzter Mann im Turm - Roman
verschränkten Armen die Trauerprozession beobachtete.
Der Mann aus dem Confidence-Konzern trug seine übliche Schwarz-Weiß-Uniform, unterm Arm hielt er etwas, das wie eine Jahresbilanz aussah.
Shanmugham drehte sich um und bemerkte den ihn musternden Ajwani.
Der Makler trat lächelnd auf ihn zu.
«Ich bin von der Vishram Society. Heiße Ajwani.»
Shanmugham erwiderte das Lächeln. «Ich weiß. Ramesh. Turm A. Ihnen gehört der Toyota Qualis.»
Bald darauf saßen die beiden Männer in einem nahe gelegenen Restaurant. Ajwani verscheuchte mit einem Tritt eine Maus unter ihrem Tisch und hob zwei Finger, um die Aufmerksamkeit des Kellners zu erregen.
Er nahm die grüne Jahresbilanz in die Hand, die Shanmugham auf den Tisch gelegt hatte, und blätterte darin herum.
«Anlagefonds … In den 90ern habe ich auch mit Aktien spekuliert. Technologieunternehmen. Ich habe Infosys-Aktien gekauft. Hab kein Geld gemacht. Werden Sie auch nicht.»
«Ich
habe
schon welches gemacht», sagte Shanmugham.
«Dann werden Sie alles wieder verlieren. Männer wie wir werden nicht reich dabei.»
Ajwani schob den Bericht über den Tisch und sah seinem Gesprächspartner in die Augen.
«Ich würde Sie gern fragen, Mr Shanmugham, welche Position Sie im Confidence-Konzern bekleiden?»
«Gar keine. Ich helfe nur aus, eine persönliche Gefälligkeit für Mr Shah.»
«Nein, das stimmt nicht.» Der Makler schlug mit der Hand auf die Jahresbilanz. «Jeder Bauherr hat in seiner Firma einen Mann für besondere Fälle. Dieser Mann hat keine Visitenkarten, bekleidet keine Position, ja, er steht nicht einmal auf der Gehaltsliste. Aber er ist die linke Hand des Unternehmers. Er erledigt das, wovon die rechte Hand des Unternehmers nichts wissen möchte. Wenn es Schwierigkeiten gibt, wendet er sich an die Polizei oder die Mafia. Wenn ein Politiker geschmiert werden muss, trägt er die Tasche. Wenn jemandem die Finger gebrochen werden sollen, übernimmt er das.
Sie
sind Mr Shahs linke Hand.»
Shanmugham zog seine Jahresbilanz unter der Hand des Maklers hervor.
«Ich habe diesen Ausdruck noch nie gehört. Linke Hand eines Unternehmers.»
Der Kellner stellte zwei Tassen auf ihren Tisch.
«Bringen Sie mir die Zuckerdose», sagte Ajwani.
Höflich schob er Shanmughams Tee näher zu ihm hinüber.
«Kennen Sie die Redensart: ‹der Makler ist der Vetter des Bauherrn›? Zeit meines Lebens beobachte ich schon Sanierungsprojekte. Der Bauherr hat immer einen Mann, der ihm interne Informationen liefert. Er informiert ihn über die anderen Genossenschaftsmitglieder. Unglücklicherweise haben Sie diesmal den falschen Mann ausgesucht.»
Shanmugham, der auf seinen heißen Tee pustete, hielt inne.
«Normalerweise handelt es sich dabei um den Verwalter. Der Verwalter von Turm B, Mr Ravi, ist ein guter Mann. Aber
unser
Verwalter ist eine
Niete.»
«Eine Niete?», fragte Shanmugham in seinen Tee hinein.
«Hat erst mit fünfzig einen Sohn bekommen.
Das
jetzt bekommt er nicht hin.» Ajwani hob einen Finger. «Kann Ihnen nicht helfen. Alles, was er in letzter Zeit macht, ist ‹Afrika, Afrika, Afrika› zu sagen.»
«Wer kann uns dann helfen?»
«Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen: Wie viele Leute in Turm A lehnen das Angebot ab?»
«Vier.»
Ajwani schlug auf den Tisch.
«Falsch. Nur eine Person ist wirklich dagegen. Die anderen drei wissen nicht, was sie wollen.»
«Wer?»
Der Kellner stellte den Zucker auf den Tisch.
«Die Frist ist zu knapp. Ein Vorhaben wie dieses braucht mindestens zwei Jahre. Warum hat es Ihr Boss so eilig?»
Shanmughams Augen glitzerten. Er trank den Tee aus und schob die leere Tasse in die Tischmitte zurück.
«Wer ist es?»
Der Makler griff nach dem Zucker, nahm einen Löffel und hielt ihn über die Tasse. «Sie wollen Informationen von mir …» Er rührte um. «Umsonst. Das ist reinste Gier. Legen Sie was drauf für mich. Versüßen Sie mir die Sache. Pro Quadratmeter 10.000 Rupien mehr.»
Shanmugham stand auf.
«Ich bin nach Vakola gefahren, um für Ihre Genossenschaft Süßigkeiten abzugeben. Sie finden Ihre beim Wachhäuschen, Mr Ajwani. Mehr habe ich Ihnen nicht zu geben.»
Der Makler rührte den Zucker um.
«Sie werden Vishram ohne meine Hilfe nie dazu bringen, Ihr Angebot anzunehmen.»
Als Ajwani beim Wachhäuschen stehen blieb, stellte er fest, dass Shanmugham hinsichtlich der Süßigkeiten die Wahrheit gesagt hatte.
Rote Schachteln mit dem Bildnis Siddhi Vinayaks. In jeder befanden sich 300 Gramm
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