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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Schutzhülle des Innovas, die da sagte: «In zehn Jahren.» Er spreizte die Finger, legte die ganze Hand auf die Karosserie und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
    Auf dem Rückweg fragte Kudwa im Wachhäuschen nach seiner roten Süßigkeitenschachtel.
    Ajwani, die Hände hinterm Rücken verschränkt, ging zum Obst-und-Gemüse-Markt.
    Die besten Gedanken kamen ihm auf dem Markt. Mindestens einmal die Woche kam er mit seinen beiden Jungen hierher, um ihnen das Feilschen beizubringen. Ein wesentlicher Teil ihrer Erziehung. Ein Mann, der sich bei seinem Essen nicht beschummeln lässt, lässt sich auch auf allen anderen Gebieten nicht beschummeln.
    Afrika,
sagte Ajwani vor sich hin, während er zwischen Karren voll reifer Wassermelonen hindurchging. Er war nie in Afrika gewesen.Auch nicht in Amerika, Europa, Kanada oder Australien. Er hatte nie das Meer überquert.
    Frauen waren sein Afrika gewesen. Andauernd kommen sie in das Büro eines Maklers, Stewardessen, Models, Verkäuferinnen, alleinstehende Mädchen, geschiedene Frauen, suchen eilig eine Wohnung, manchmal geradezu verzweifelt. Ein Makler kann auf sie wie eine Vaterfigur wirken, gütig und bestimmt. Als er jünger gewesen war, hatte Ajwani mit vielen Kundinnen geschlafen, Zwang oder Erpressung waren nicht im Spiel gewesen. Mit vielen zuerst in einem Hotel am Bahnhof, dem Wood Lands, das Zimmer auf Stundenbasis vermietete. Später hatte er einen Teil von seinem Büro abgetrennt. Und dann eine Kokosnuss, aus der sie trinken konnten, wenn sie nebeneinander auf dem Bett lagen. Die Frauen waren glücklich und er war noch glücklicher. So gefiel ihm seine Arbeit.
    Geld – Geld war sein Indien gewesen. Er hatte nicht eine Rupie auf dem Aktienmarkt verdient; selbst bei Immobilien, seinem ureigensten Metier, waren seine Investitionen Misserfolge gewesen. Den Toyota Qualis hatte er einem Vetter abgekauft, damit er sich reich vorkam, aber das Auto brachte ihn noch ins Grab. Soff zu viel Diesel. Musste Monat für Monat repariert werden. Wieder einmal war er reingelegt worden. Im Film seines Lebens war er lediglich der Hanswurst.
    Aber diesmal nicht.
    Kleine dunkle Äpfel waren auf einem blauen Karren wie mittelalterliche Geschosse zu einer Pyramide aufgeschichtet, rundum eingerahmt von oben spitz zulaufenden Papayas, modernen Granaten. Ajwani nahm eine Papaya in die Hand und roch, ob sie schon reif war. Das Gleiche würde er mit Masterji, den Pintos und Mrs Rego machen, schnüffeln und draufklopfen, schnüffeln und draufklopfen, ihre Schwachstellen finden, sie aufbrechen. Kudwa hatte er kostenlos behandelt, aber für die anderen drei würde Mr Shah bezahlen müssen.
    Wie jedes Jahr hieß es auf dem Markt, dass der Monsun sich verspäten und die Wasserknappheit bald schrecklich werden würde.
    Abgestandener Klatsch zur Linken, mittelmäßige Waren zur Rechten – Ramesh Ajwani wusste, dass seine Augen das Leuchtendste waren, was der Markt in Vakola zu bieten hatte.

VIERTES BUCH
DER MONSUN SETZT EIN

19. JUNI
    Regenwasser tröpfelte
pizzicato
von einer Kokospalme, ein virtuoses Solo voller Leichtigkeit im Konzert von Gewitterwolken, verhangenem Himmel und Regen, der immer stärker wurde.
    Ramu und das nette Entchen schauten aus ihrem Fenster nach draußen.
    Das Metallgitter, das vor Einbrechern schützen sollte, erwachte zum Leben; das schmiedeeiserne Laub tropfte und wurde zu echten Blättern und echten Blumen.
    «Oioioi, mein Prinz. Was für tiefe Gedanken gehen dir denn durch den Kopf?»
    Mrs Puri saß neben ihrem Sohn und zeigte auf den Himmel. Die Fäden des nachlassenden Regens funkelten, die Sonne kam heraus.
    «Erinnerst du dich daran, was Masterji gesagt hat? Wenn Regen und Sonne zusammenkommen, gibt es einen … Du kennst das Wort, Ramu. Sag es. Einen Reg … einen Regen … einen Regenb …»
    Schützend bedeckte Mrs Puri Ramus nassen Kopf mit ihrem Arm und schaute nach oben. Ein Tropfen Regenwasser hing an der Decke. Vishrams alte Wände glänzten vor Sickerwasser, die Feuchtigkeit kuschelte sich in die Farbrisse, leckte an Stahlträgern und kaute am Mörtel.
    Ramu, der die Gedanken seiner Mutter lesen konnte, griff nach ihren goldenen Armreifen und begann, mit ihnen zu spielen.
    «Wir müssen uns keine Sorgen machen, Ramu. Wir ziehen in eine brandneue Wohnung. In drei Monaten. In eine, die nie einstürzen wird.»
    Ramu flüsterte.
    «Ja, alle, sogar Masterji und der Onkel Verwalter.»
    Der Junge lächelte, stopfte sich dann die Finger in die Ohren und

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