Letzter Mann im Turm - Roman
Morgen hatte man in ihrem Müll Aluschalen aus einem sehr teuren Fischrestaurant in Juhu gefunden.
«Woher wissen Sie, was in ihrem Müll ist?», fragte Mrs Puri.
Ajwani lächelte; die kiemenähnlichen Falten auf seinen Wangen vertieften sich.
«Wollen Sie sich jetzt wegen Lappalien streiten, Mrs Puri? Ich weiß, dass ich das schwarze Schaf dieser Genossenschaft bin. Ich mache Sachen, die anständige Leute nicht tun würden. Aber jetzt müssen Sie dem schwarzen Schaf zuhören, oder wir verlieren alle unser Geld.» Er flüsterte. «Mrs Rego wurde das Ganze ein wenig versüßt. Ein Extra-Angebot von Mr Shah. Das ist meine Vermutung.»
«Ein kleines Extra?» Mrs Puri drehte die Worte hin und her, alswären sie ein paar anrüchige Jeans. «Sie meinen extra Geld? Warum nur für sie? Bekommen Sie das
auch,
Ajwani?»
Der Makler warf frustriert die Arme hoch.
«Ich würde nicht einmal darum
bitten.
Wenn jeder ein kleines Extra will, gibt es am Ende gar keinen Kuchen. Ich mache das von mir aus, wenn ich die Oppositionspartei, einen nach dem anderen, überzeuge.
Warum?
Weil ich Verantwortung übernehme.»
Mrs Puri schloss Ramus Schlafzimmertür. Sie flüsterte und machte Ajwani auf diese Weise deutlich, welche Lautstärke für eine Wohnung angemessen war, in der ein heranwachsendes Kind lebte. «Sie haben Verantwortung für Mrs Rego übernommen? Warum hat sie dann nicht zugestimmt?»
Ajwani zuckte zusammen.
«Ein Mann kann nur bis zu einem gewissen Grad Druck auf eine Frau ausüben. Mehr
kann
ein Mann nicht.»
«Deshalb sind Sie also hierhergekommen», sagte Mrs Puri.
«Ich
werde nicht mit dieser Kommunistin reden.»
«Mrs Puri», der Makler legte die Hände zum Gebet aneinander, «diese alten Streitigkeiten, diese alten Belanglosigkeiten müssen aufhören. Das ist der Grund, weshalb wir es in diesem Land nie zu etwas gebracht haben.»
Mrs Puri bat Ajwani, auf den schlafenden Ramu aufzupassen, das nette Entchen in Reichweite, falls er aufwachte, und hinkte die Treppe hinunter, wobei sie röchelnd atmete, wenn sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. Niemand in 1 B reagierte auf ihr Klingeln. Sie drückte ein zweites Mal auf die Klingel.
«Es ist offen», sagte eine Stimme von drinnen.
Das Schlachtschiff saß am Esstisch und starrte auf die Wand.
«Was ist denn los, Mrs Rego?»
«Sie klebt da an der Wand. Sehen Sie sie?»
Mrs Puri war zum ersten Mal in der Wohnung des Schlachtschiffs.
Sie erblickte gerahmte Poster auf Hindi und auf Englisch und drei große Schwarz-Weiß-Fotografien, auf einer erkannte sie Präsident Mandela.
«Normalerweise macht das Ramaabai, wenn sie ins Haus kommt. Ich bin zu nichts fähig, bis nicht jemand sie für mich getötet hat.» Mrs Rego hob den Finger.
Und
dann
entdeckte Mrs Puri sie. Über Präsident Mandela.
Dick und kurvig, wie etwas, das man aus einer Tube gedrückt hatte, und pistaziengrün, bewegte sie sich auf die Neonröhre zu, um die sich Fliegen versammelt hatten.
Ein derartiges Kaliber hatte Mrs Puri noch nie gesehen, ein wahres Prachtexemplar ihrer Gattung. Sie schnappte sich eine Libelle, die in der Nähe der Neonröhre tanzte, und warf den Kopf zurück; die durchsichtigen Flügel glänzten golden im Lichtschein und verschwanden dann zwischen den mahlenden Kiefern. Ihr aufgequollener Körper verschwand in der Lampe, eine graue Form, deren Füße deutlich als schwarze Flecken im erleuchteten Zylinder zu sehen waren.
«Das ist das Problem?», fragte sie.
Mrs Rego nickte.
Mrs Puri ging in die Küche, streifte die goldenen Armreifen ab und legte sie auf eine Zeitung auf dem Tisch. Sie sah sich nach einem Stuhl um, mit dessen Hilfe sie an die Lampe kommen konnte.
Über dem Kühlschrank erblickte sie ein Poster, auf dem eine menschliche Gestalt abgebildet war, die vollständig aus ineinander verschränkten Händen und Füßen bestand. Darunter stand
KEINER VON UNS IST SO STARK WIE WIR ALLE ZUSAMMEN
NEHMEN SIE AN ALLEN WAHLEN TEIL.
ES IST IHR RECHT UND IHRE PFLICHT.
Mrs Puri schüttelte den Kopf. Selbst die Küche war kommunistisch.
Auf der Suche nach einer Waffe entschied sie sich für die Gelben Seiten, die auf der Mikrowelle lagen. Sie kletterte auf einen Esstischstuhl. Sie schlug mit einer Ecke der Gelben Seiten gegen die Lampe und trieb die Eidechse heraus, Schlag um Schlag.
Mrs Rego hatte sich zur Sicherheit in die Küche zurückgezogen.
«Machen Sie sie tot?», schrie sie von dort.
«Nein, ich werfe sie aus dem Fenster.»
«Der Schwanz
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