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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wird abfallen! Sie müssen sie totmachen.»
    Der Schwanz war tatsächlich abgefallen. Mrs Puri bekam den Körper der zappelnden Eidechse zu fassen und ließ ihn die Hauswand hinabfallen. Dann kam sie zurück und holte den Schwanz.
    «Erledigt», sagte sie, als sie in die Küche kam, um sich die Hände zu waschen.
    Sie legte die Finger aneinander und streckte den Arm aus. Mrs Rego nahm die Armreifen von der Zeitung und streifte sie ihrer Nachbarin nacheinander über das Handgelenk, bis der Unterarm wieder ganz mit Gold bedeckt war.
    «Warum haben Sie denn solche Angst vor ihnen? Mein Mann zeichnet sie für Ramu zum Spaß. Auch Spinnen.»
    «Wissen Sie, dass der alle meine Goldmünzen gestohlen hat?», sagte Mrs Rego und streifte Mrs Puri den letzten Armreif über.
    «Wer? Der Eidechserich?»
    «Sovereigns. George-V.-Sovereigns. Half-Sovereigns. So dick. Alle weg.» Mrs Rego lächelte. «Der Mann, dessen Namen ich trage.»
    «Ich habe ihn nie kennengelernt, Mrs Rego.»
    «Er ist ein Dieb. Er hat mich zu einer armen Frau gemacht. Habe ich Ihnen je erzählt, dass mein Vater einer der reichsten Männer Bandras war?»
    «Des Öfteren.» Mrs Puri schüttelte den Arm, damit die Reifen richtig lagen.
    «Weil es stimmt. Wir hatten immer von allem das Beste. Catherine und ich. Und doch haben wir uns wegen allem gestritten. Zum Abendessen hat uns Vater
biryani
aufgetischt. Hammel. Wir haben uns immer gestritten, du hast mehr gekriegt, ich habe weniger, sodass er beschlossen hat, jede
biryani
-Portion abzuwiegen, bevor er sie uns hinstellte. Damit keine die andere ‹übertrumpfen› konnte. Catherine ist hellhäutig, jedes Mal, wenn wir vor einem Spiegel standen, hat sie mich übertrumpft. Als sie diesen Juden geheiratet hat und ich einen
pucca
Katholiken, glaubte ich, ich hätte sie endgültig übertrumpft. Aber jetzt … Sie lebt immer noch in Bandra. Ihr Mann ist prominent. Und sie hat eine Sony-Playstation. Ich muss sie mit meinen Kindern besuchen, damit sie damit spielen können.»
    Mrs Puri schüttelte wieder ihre linke Hand. «Sie haben Ihre Arbeit.»
    «Wer bin ich denn, Arundhati Roy? Ich bin bloß eine Frau aus Vakola, die Briefe an Ausländer schreibt, in denen sie um Geld bittet. Alle Jubeljahre kann ich mal jemandem aus dem Slum helfen. Die meiste Zeit sitze ich einfach nur herum und schaue zu, wie diese Stadt von den Bauunternehmern zugrunde gerichtet wird.»
    Eine neue Flasche Heinz-Ketchup stand auf dem Küchentisch der Regos, aber die leere war noch nicht weggeworfen worden. Mrs Puri stellte die neue Flasche neben die leere. «Das wollen wir vom Leben», sagte sie und deutete auf die neue Flasche. «Und das bekommen wir.» Mrs Rego lachte.
    «Ich habe Sie die ganzen Jahre für Ihre Wortgewandtheit bewundert, Mrs Puri. Selbst wenn wir uns gestritten haben.»
    «Sie hätten die Kurzgeschichten und Gedichte sehen sollen, die ich im College geschrieben habe.» Mrs Puri ließ die Hand über ihrem Kopf kreisen, um vergangenen Ruhm anzudeuten. «Ich hätteSchriftstellerin werden können, hätte alles Mögliche werden können. Wir haben alle ein anderes Leben akzeptieren müssen.»
    «Der Confidence-Bauherr hat mich mit Geld bestochen, Mrs Puri. Damit ich das Angebot annehme.»
    Mrs Puri nickte. «Ich weiß. Ajwani hat es mir gesagt.»
    «Woher weiß Ajwani das denn?»
    «Er weiß alles Mögliche. Er ist wie eine dieser Eidechsen, kriecht jede Wand hoch.» Mrs Puri trat näher an Mrs Rego heran. «Er ist ein
unanständiger
Mann.»
    «Unanständig?»
    «Er geht zu unreinen Frauen. In der Stadt. Ich weiß das genau. Mein Mann hat ihn mal in der Nähe der Falkland Road gesehen.»
    Mrs Rego wollte gerade fragen, was Mr Puri wohl in der Nähe der Falkland Road gemacht hatte, unterdrückte dann aber ihre Frage.
    «Geld bedeutet mir nichts», sagte Mrs Puri. «Wenn ich Hunger habe, streiche ich Butter auf ein Brot und esse es. Aber ich muss an Ramu denken. Und Sie müssen an Sunil und Sarah denken. Selbst die Armen führen ein besseres Leben als wir. Wenn man die Straße über die Slums nimmt, sieht man unten Satellitenschüsseln wie Lotosblätter auf einem Teich. Sie haben jahrelang nur an die Armen gedacht. Denken Sie jetzt mal an Ihre Kinder. Ich weiß, was ich mit meinem Geld anfangen möchte. Vorsorge für Ramu treffen. Eine Wohnung in Goregaon kaufen. Wissen Sie, was ich mit dem Rest machen möchte? Eine Klinik für verletzte Hunde aufmachen. Diese Stadt ist voller verkrüppelter Tiere.»
    «Das ist sehr christlich von

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