Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
die Entscheidung unwiderruflich war.
»Wer kann uns dort helfen?« fragte Rhyme.
»Ron Talbot. Er ist Teilhaber und unser Finanzchef.«
Sachs schrieb den Namen schnell in ihr Notizbuch. »Soll ich jetzt gleich aufbrechen?«
»Nein«, sagte Rhyme. »Ich möchte, daß Sie warten, bis wir die Reste der Bombe von dem Chicago-Flug haben. Sie müssen mir helfen, sie zu analysieren.«
»Vergessen Sie nicht, daß ich nur eine Stunde habe«, gab sie gereizt zurück.
»Sie müssen eben warten«, erwiderte er im selben Ton und wandte sich dann an Fred Dellray: »Was ist mit dem sicheren Haus?«.
»Oh, wir haben einen Ort, den Sie mögen werden«, sagte der Beamte zu Percey. »In Manhattan. Da wurden Ihre Steuergelder mal richtig gut angelegt. Jawohl. Die US-Marshals nutzen es in ihrem Zeugenschutzprogramm für die Creme de la Creme. Wir brauchen nur noch jemanden vom NYPD als Babysitter. Jemanden, der den Tänzer kennt und schätzt.«
In diesem Augenblick blickte Jerry Banks auf und wunderte sich, warum alle ihn anstarrten. »Was ist? Was?« fragte er und versuchte vergeblich, seine widerspenstige Haartolle glatt zu ziehen.
Stephen Kall, der Mann, der wie ein Soldat sprach und mit Armeegewehren schoß, war in Wirklichkeit nie Soldat gewesen.
Aber nun protzte er gegenüber Sheila Horowitz: »Ich bin stolz auf meine militärische Vergangenheit. Und das ist die Wahrheit.«
»Einige Menschen tun...«
»Nein«, unterbrach er. »Einige Menschen respektieren uns nicht. Aber das ist deren Problem.«
»Das ist deren Problem«, wiederholte Sheila.
»Sie haben eine schöne Wohnung«, schmeichelte Stephen. Er blickte sich in dem Dreckloch um, das mit Sonderangeboten von Conran vollgestellt war.
»Danke, mein Freund. Hhm, wollen... ähm, möchten Sie etwas zu trinken? Oops, da habe ich schon wieder die unhöfliche Frageform benutzt. Mama hat immer streng darauf geachtet. Kommt von zuviel
Fernsehen! Schäm dich. Schäm dich! Au, au, au.«
Was, zum Teufel, redete sie da?
»Leben Sie hier allein?« fragte er mit einem freundlich interessierten Lächeln.
»Yup. Nur ich und das dynamische Trio. Hab keine Ahnung, warum sie sich verstecken. Diese kleinen, dummen Halunken.« Sheila spielte nervös mit dem Saum ihrer Weste. Und weil er nicht geantwortet hatte, fragte sie noch einmal: »Also, wie steht's mit etwas zu trinken?«
»Gerne.«
Er entdeckte auf dem Kühlschrank eine einzelne, völlig verstaubte Weinflasche. Vermutlich für eine besondere Gelegenheit aufgehoben. War es heute soweit?
Offensichtlich nicht. Sie brachte eine Limonadenflasche Dr. Pepper Light.
Er schlenderte zum Fenster und blickte hinaus. Keine Polizei auf der Straße zu sehen. Und nur ein halber Block bis zur nächsten U-Bahn-Station. Das Appartement war im ersten Stock. Sie hatte zwar Gitter an den hinteren Fenstern, aber sie waren nicht abgeschlossen. Er könnte also im Notfall die Feuertreppe hinuntersteigen und über die belebte Lexington Avenue verschwinden...
Sie hatte auch Telefon und einen Computer. Gut.
Er sah sich ihren Wandkalender an -Bilder von Engeln. Es gab ein paar Einträge, aber nichts für dieses Wochenende.
»Hey, Sheila, hätten Sie...« Er unterbrach sich, schüttelte den Kopf und verstummte.
»Ähm, was?«
»Nun, ich weiß, daß es dumm ist zu fragen. Ich meine, es kommt einfach ein wenig zu überraschend und so. Ich hab mich nur gefragt, ob Sie die nächsten Tage schon etwas vorhaben.«
Sie wurde plötzlich vorsichtig: »Hhm, ich, ähm. Ich wollte mich mit meiner Mutter treffen.«
Stephen verzog enttäuscht sein Gesicht. »Schade. Wissen Sie, ich hab diese Wohnung in Cape May...«
»An der Küste von New Jersey?«
»Genau. Ich fahre dort raus...«
»Wenn Sie Buddy abgeholt haben?«
Wer, zum Teufel, war Buddy? Oh, die Katze. »Stimmt. Wenn Sie
nichts vorgehabt hätten, dann hätten Sie ja vielleicht Lust gehabt,
mit an die Küste zu kommen.« »Haben Sie...?« »Meine Mutter kommt auch, mit ein paar ihrer Freundinnen.« »Wow, wirklich. Ich weiß nicht.« »Warum rufen Sie nicht Ihre Mutter an und sagen ihr, daß sie
dieses Wochenende auf Sie verzichten muß?«
»Nun... ich brauche sie eigentlich gar nicht anzurufen. Wenn ich nicht auftauche, ist das keine große Sache. Die Vereinbarung war, daß ich vielleicht komme, vielleicht aber auch nicht.«
Also hatte sie gelogen. Ein Wochenende ohne jegliche Verabredungen. Niemand würde sie in den nächsten Tagen vermissen.
Eine Katze sprang plötzlich neben ihn auf
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