Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
Geheimtruppe. Offiziell gehörten sie zum ESU-Spezialeinsatzkommando und nannten sich Special Procedures Officers. Die meisten der Männer und Frauen waren ehemalige Soldaten. Sie waren in allen Fahndungs- und Überwachungsmethoden sowie Angriff, Scharfschießen und Geiselbefreiung gründlich ausgebildet worden. Sie waren nicht sehr viele. Dem schlechten Ruf der Stadt zum Trotz fielen in New York nicht oft taktische Operationen an, und die Verhandlungsführer für Geiselnahmen -die als die besten des Landes galten - lösten die meisten Fälle, bevor ein Sturmangriff nötig wurde. Wenn Haumann zwei Teams für die Jagd auf den Tänzer abstellte, was zehn Beamten entsprach, dann setzte er damit auch schon die meisten der 32-E's ein.
Einen Augenblick später betrat ein kleiner, beinahe kahlköpfiger Mann mit einer altmodischen Brille den Raum. Mel Cooper war der beste Laborant des Kriminaldezernats »Investigation and Re-source Division« - IRD -, das Rhyme früher geleitet hatte. Er hatte noch nie einen Tatort abgesucht, hatte nie einen Täter verhaftet und hatte vermutlich völlig vergessen, wie man mit der kleinen Pistole schoß, die er nur widerwillig hinten an seinem alten Ledergürtel mit sich herumtrug. Cooper hatte nicht das geringste Bedürfnis, irgendwo anders auf der Welt zu sein als auf seinem Laborhocker vor einem Mikroskop und Fingerabdrücke zu untersuchen - die einzige Ausnahme war vielleicht der Tanzsaal, wo er als prämierter Tangotänzer begeisterte.
»Detective.« Cooper sprach Rhyme mit dem Titel an, den dieser innehatte, als er Cooper vor Jahren vom Polizeidepartment Albany abgeworben hatte. »Ich dachte, ich sollte einen Blick auf ein paar Körnchen Sand werfen. Aber jetzt habe ich gehört, daß es um den Tänzer geht.« Es gab nur einen Ort auf der Welt, wo sich Neuigkeiten schneller verbreiteten als auf der Straße -und das war das Polizeipräsidium, dachte Rhyme. »Diesmal kriegen wir ihn, Lincoln. Wir kriegen ihn.«
Während Banks die Neuankömmlinge über die letzten Entwicklungen informierte, entdeckte Rhyme eine Frau, die an der Tür zum Labor stand. Ihre dunklen Augen, denen nichts entging, inspizierten den Raum. An ihr war keine Vorsicht, keine Unruhe.
»Mrs. Clay?« fragte er.
Sie nickte. Ein schlanker Mann trat neben sie in den Türrahmen. Britton Hale, vermutete Rhyme.
»Bitte kommen Sie herein«, forderte er sie auf.
Sie trat in den Raum, warf einen Blick auf Rhyme und dann auf das Wandregal neben Cooper, in dem sich forensische Instrumente türmten.
»Percey«, sagte sie. »Nennen Sie mich Percey. Sind Sie Lincoln Rhyme?«
»Ja, richtig. Das mit Ihrem Mann tut mir leid.«
Sie nickte kurz. Offenbar war ihr die Beileidsbekundung unangenehm.
Genau wie mir, dachte Rhyme.
Er fragte den Mann an Perceys Seite: »Und Sie sind Mr. Hale?«
Der schlaksige Pilot nickte und trat einen Schritt vor, um Rhyme die Hand zu schütteln. Dann merkte er, daß dessen Arme an den Rollstuhl gebunden waren. »Oh«, murmelte er und wurde rot. Er trat zurück.
Rhyme stellte ihnen die übrigen Mitglieder des Teams vor -mit Ausnahme von Sachs, die auf Rhymes Drängen hin gerade ihre Uniform gegen Jeans und Sweatshirt austauschte, die noch zufällig oben in Rhymes Schrank hingen. Er hatte ihr erklärt, daß der Tänzer als Ablenkungsmanöver oft Polizisten tötete oder verwundete; deshalb wollte er, daß sie wie eine Zivilistin aussah.
Percey zog aus der Seitentasche ihrer Hose einen silbernen Flachmann und nahm einen kleinen Schluck. Sie trank den Alkohol -Rhyme roch teuren Whisky -, als wäre er Medizin.
Rhyme, dessen körperliche Situation so offensichtlich war, achtete normalerweise nicht auf die körperlichen Merkmale anderer Menschen, es sei denn, es handelte sich um Täter oder Opfer. Aber Percey Clay war schwer zu ignorieren. Sie war kaum größer als einen Meter fünfzig, strahlte jedoch eine ungeheure Intensität aus. Ihre mitternachtsschwarzen Augen zogen ihr Gegenüber in den Bann. Erst wenn man sich von ihnen gelöst hatte, bemerkte man ihr Gesicht, das nicht hübsch, sondern mopsig und uneben war. Ihre Frisur bestand aus einem Wust schwarzer, lockiger Haare, die sie kurzgeschnitten trug. Rhyme vermutete, daß langes Haar ihr besser stehen würde, weil es die eckige Form ihres Gesichtes abmildern würde. Sie verzichtete auf die üblichen schützenden Gesten anderer kleiner Menschen - Hände auf den Hüften, verschränkte Arme, Hände vor dem Mund. Rhyme stellte fest, daß sie ebenso
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