Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
alles, was sie für ihn darstellte.
Rhyme unterbrach ihren Gedankengang. »Also, ich habe einen Plan. Wir werden ihm eine Falle stellen. Dafür brauche ich deine Hilfe, Lon.«
»Was brauchst du?«
»Percey und Hale werden ins Sicherheitsversteck gebracht. Aber ich möchte, daß es so aussieht, als würden wir sie woanders unterbringen. Wir machen eine ganz große Sache daraus. Sehr offensichtlich. Ich werde eine der Polizeistationen aussuchen und so tun, als ob sie aus Sicherheitsgründen dort im Zellentrakt untergebracht werden. Über den verschlüsselten Polizeifunk melden wir dann, daß wir die Straße vor der Polizeistation aus Sicherheitsgründen absperren und daß wir alle Häftlinge von dort abtransportieren, um den Laden für uns zu haben. Wenn wir Glück haben, hört der Tänzer den Polizeifunk über Scanner ab. Wenn nicht, dann bekommen es die Medien vielleicht spitz, und er erfährt es auf diese Weise.«
»Was hältst du vom Zwanzigsten?« schlug Sellitto vor.
Die Polizeistation im zwanzigsten Distrikt an der Upper West Side lag nur ein paar Blocks von Rhymes Haus entfernt. Er kannte
die meisten Beamten dort.
»Okay, gute Idee.«
Sachs entdeckte in Sellittos Augen einen leichten Zweifel. Er beugte sich über Rhymes Stuhl, wobei ihm der Schweiß von der breiten, faltigen Stirn troff. Mit leiser Stimme, so daß nur Rhyme und Sachs es hören konnten, fragte er: »Bist du dir wirklich ganz sicher, Lincoln? Glaubst du, daß es der richtige Weg ist?«
Rhymes Augen suchten Perceys. Sie schauten sich kurz an. Sachs wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. Sie wußte lediglich, daß es ihr nicht gefiel.
»Ja«, sagte Rhyme. »Ich bin mir sicher.«
Auf Sachs wirkte er allerdings überhaupt nicht sicher.
6. Stunde von 45
»Viel Material, das ist gut.«
Rhyme blickte zufrieden auf die Plastikbeutel, die Sachs von den
Tatorten am Flughafen zurückgebracht hatte.
Kleinstspuren waren Rhymes liebstes Kind - jene manchmal mikroskopisch kleinen Teilchen, die von einem Verbrecher an einem Tatort zurückgelassen wurden oder dort an ihm haftengeblieben waren. Auch die cleversten Täter dachten nicht daran, diese Spurenteilchen zu manipulieren oder sie bewußt an einem Tatort zu verteilen. Außerdem gelang es auch dem saubersten und aufmerksamsten Täter niemals, alle Spurenteilchen loszuwerden.
»Woher stammt der erste Beutel, Sachs?«
Sie suchte wütend in ihren Notizen.
Was hat sie nur? dachte er. Es war ganz offensichtlich, daß irgend etwas nicht stimmte. Vielleicht hatte es mit ihrer Wut auf Percey zu tun, vielleicht mit der Sorge um Jerry Banks. Vielleicht aber auch nicht. Ihre kühlen Blicke verrieten ihm jedenfalls, daß sie nicht darüber sprechen wollte. Was ihm jetzt nur recht war. Sie mußten den Tänzer schnappen. Das hatte im Augenblick absoluten Vorrang.
»Die sind aus dem Hangar, in dem der Tänzer auf das Flugzeug gewartet hat.« Sie hielt zwei Beutel hoch. Dann deutete sie mit einer Kopfbewegung auf drei weitere Beutel. »Der ist aus dem Versteck, von wo aus er geschossen hat. Der stammt aus dem Wagen des Malers und der aus dem Catering-Lieferwagen.«
»Thom... Thom!« brüllte Rhyme so laut, daß jeder im Raum zusammenschrak.
Sein Adlatus erschien in der Tür. »Was ist denn, Lincoln? Ich versuche gerade, ein paar Häppchen zuzubereiten.«
»Essen?« fragte Rhyme aufgebracht. »Wir brauchen nichts zu essen. Wir brauchen mehr Tafeln. Schreib auf: >Tatort zwei, Hangar. Ja, das ist gut. >To zwei, Hangar<. Dann den nächsten. >To drei< Von dort aus hat er geschossen. Sein Grashügel.«
»Soll ich Grashügel aufschreiben?«
»Nein. Schreib: >To drei, Heckenschützenversteck<. Okay, laßt uns nun mit dem Hangar anfangen. Was haben wir?«
»Winzige Glassplitter«, sagte Cooper und schüttete den glitzernden Beutelinhalt wie ein Diamantenhändler in eine Porzellanschale. Sachs erklärte: »Außerdem haben wir noch die Staubspuren, die ich aufgesaugt habe. Ein paar Fasern vom Fensterbrett. Keine Abdrücke.«
»Er ist einfach zu vorsichtig mit seinen Fingerabdrücken«, stellte Sellitto düster fest.
»Das ist doch ermutigend«, entgegnete Rhyme, leicht irritiert, wie so oft, wenn die anderen seinen Gedanken nicht schnell genug folgten.
»Warum?« fragte der Detective.
»Er ist deshalb so vorsichtig, weil seine Abdrücke irgendwo registriert sind! Wenn wir also Abdrücke finden, dann haben wir eine gute Chance, ihn zu identifizieren. Okay, okay. Abdrücke von Baumwollhandschuhen
Weitere Kostenlose Bücher