Letzter Tanz - Lincoln Rhyme 02
abgekratzt.«
Cooper kippte den Inhalt in eine Porzellanschale. Er schüttelte die Schale ein wenig hin und her. »Auch noch Keramikspitzen. Schutzwesten sind da zwecklos.«
»Was für ein Super-Arschloch«, fluchte Sellitto.
»O ja, der Tänzer versteht sein Handwerk«, stimmte Rhyme zu.
An der Haustür war Lärm zu hören, und kurz darauf führte Thom zwei FBI-Agenten in Zivil herein. Hinter ihnen erschienen Percey Clay und Brit Hale.
Percey wandte sich an Sellitto: »Wie geht es ihm?« Ihre dunklen Augen wanderten durch den Raum und registrierten die Kälte, mit der sie empfangen wurde. Sie ließ sich nicht beirren. »Jerry, meine ich.«
Sellitto schwieg.
Rhyme war es, der schließlich antwortete: »Er ist immer noch im OP.«
Ihr Gesicht zeigte Spuren der Erschöpfung, ihre Haare waren durcheinander. »Ich hoffe, er kommt durch und wird wieder.«
Amelia Sachs wandte sich mit eisiger Stimme an Percey: »Was hoffen Sie?«
»Ich sagte, ich hoffe, daß er durchkommt.«
»Sie hoffen es?« Die Polizeibeamtin trat dicht an sie heran und blickte von oben auf sie herab. Die kleinere Frau wich keinen Zentimeter von der Stelle und blieb offenbar unbeeindruckt, als Sachs ihrer Wut freien Lauf ließ: »Jetzt ist es ein wenig spät dafür, oder was meinen Sie?«
»Was soll das heißen?«
»Das sollte ich Sie fragen. Sie sind schließlich dafür verantwortlich, daß er niedergeknallt wurde.«
»Hey Officer...«, bremste Sellitto.
Percey blieb ruhig: »Ich habe ihn nicht darum gebeten, hinter mir herzurennen.«
»Ohne ihn wären Sie tot.«
»Vielleicht. Wer weiß. Es tut mir leid, daß er verletzt wurde. Ich...«
»Und wie leid tut es Ihnen?«
»Amelia!« unterbrach Rhyme.
»Lassen Sie mich. Ich will wissen, wie leid es ihr tut. Tut es Ihnen leid genug, um Blut für ihn zu spenden? Leid genug, ihn im Rollstuhl umherzufahren, falls er nicht mehr laufen kann? Leid genug, am Grab die Rede zu halten, falls er stirbt?«
Rhyme schnauzte sie an. »Genug, Sachs. Es war nicht ihr Fehler.«
Sachs schlug ihre Hände mit den abgebissenen Fingernägeln zusammen und stemmte sie dann in die Hüften. »War es nicht?«
»Der Tänzer hat uns ausgetrickst.«
Sachs starrte weiter in Perceys dunkle Augen. »Jerry war Ihr Babysitter. Als Sie in die Schußlinie liefen, was dachten Sie da, würde er tun?«
»Ich habe nicht nachgedacht. Ich habe nur reagiert.«
»Mein Gott.«
»Hey Officer«, schaltete sich Hale ein. »Vielleicht sind Sie ja unter Druck viel cooler als wir. Aber wir sind es nun mal nicht gewohnt, daß auf uns geschossen wird.«
»Dann hätte sie einfach im Büro auf dem Boden liegenbleiben sollen. Wie ich es ihr gesagt hatte.«
Perceys Stimme klang schleppend, als sie antwortete: »Ich sah, daß mein Flugzeug beschossen wurde. Ich habe einfach reagiert. Für mich war das so wie für Sie, wenn Sie sehen würden, wie Ihr Partner verwundet wird.«
Hale warf ein: »Sie hat nur getan, was jeder Pilot tun würde.«
»Richtig«, stimmte Rhyme zu. »Das ist genau das, was ich meine, Sachs. Das ist die Methode des Tänzers.«
Aber Amelia Sachs ließ nicht locker. »Sie hätten ohnehin nicht dort sein sollen. Eigentlich hätten Sie in dem sicheren Haus und nicht am Flughafen sein sollen.«
»Das war Jerrys Fehler«, schnaubte Rhyme, nun sichtlich verärgert. »Er hatte kein Recht, die Route zu ändern.«
Sachs blickte zu Sellitto herüber, der zwei Jahre lang Banks' Partner gewesen war. Aber offensichtlich war er nicht gewillt, für den jungen Mann in die Bresche zu springen.
»Es war mir ein Vergnügen, wirklich«, sagte Percey trocken. »Aber jetzt muß ich zum Flughafen zurück.«
»Was?« Sachs verschluckte sich beinahe. »Sind Sie jetzt vollkommen verrückt geworden?«
»Das ist unmöglich«, erklärte Sellitto, der mit einem Mal aus seiner düsteren Stimmung erwachte.
»Es war schon vorher schwierig genug, als wir nur versuchten, meine Maschine für den morgigen Flug auszurüsten. Nun müssen wir auch noch den Schaden reparieren. Und da es so aussieht, als sei jeder gelernte Mechaniker in Westchester County ein verdammter Feigling, muß ich die Arbeit wohl selbst erledigen.«
»Mrs. Clay«, begann Sellitto. »Das ist keine gute Idee. In unserem sicheren Haus kann Ihnen nichts passieren, aber wir können an keinem anderen Ort für Ihre Sicherheit garantieren. Sie bleiben bis Montag dort, und Ihnen wird nichts...«
»Montag«, platzte sie heraus. »O nein. Sie verstehen überhaupt nichts. Ich werde die
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