Letzter Weg
Stunde bei Lucia Busseto in Key Biscayne angekommen sein könnte.
»Du glaubst, dass Grace bei ihr ist, nicht wahr?«, fragte Cathy.
»Ja«, bestätigte Sam.
»Dann musst du los«, sagte sie.
»Ich will nicht gehen ohne …«
»Du musst jetzt gehen«, beharrte Cathy. »Du musst dafür sorgen, dass Grace nichts passiert. Sam, du musst .« Sie ergriff seine Hand und drückte sie. »Sie würden mich gehen lassen, wenn ich sie darum bitte, aber das würde Zeit kosten.« Sie sah ihn zögern. »Ich habe schon Schlimmeres durchgemacht.«
»Ich weiß, aber …«
»Aber nichts von alledem wäre geschehen, hätte ich Kez nicht kennen gelernt, und sollte Grace oder dem Baby irgendetwas passieren, würde ich mir das nie verzeihen, und das weißt du.«
Ja, das wusste er.
138.
Während sie Lucia zuhörte, fühlte Grace sich wieder zunehmend unwohl. Ihr war ein wenig übel, und sie war leicht desorientiert.
Das kann ja auch kaum überraschen, sagte sie sich.
Auch versuchte sie, sich einzureden, dass es zu ihrem Beruf gehörte, Menschen über ihre Probleme und ihr Leben reden zu lassen.
Nein, das war etwas anderes.
»Manchmal habe ich mir gewünscht«, sagte Lucia soeben, »dass Kez sterben würde, wenn sie schon nicht aufhören konnte – ja, dass sie sich sogar selbst umbringen würde. Ich habe gelesen, dass einige Menschen mit einer solchen Psychose – falls Kez tatsächlich darunter gelitten hat – manchmal Selbstmord begehen.«
»Ja, das passiert«, sagte Grace. »Es ist eine Tragödie, wenn das geschieht.«
Sie fragte sich nicht zum ersten Mal, warum Lucia ihr all das anvertraute. Die Antwort darauf war furchterregend; also beschloss sie, nicht weiter darüber nachzudenken.
Und sie fragte sich auch wieder, ob Sam ihre Nachricht inzwischen abgehört hatte. Vermutlich – und deshalb war er sicher schon auf dem Weg hierher, oder er hatte Martinez oder die hiesige Polizei gebeten, nach ihr zu sehen.
Dieser Gedanke tröstete Grace, obwohl das Wissen, dass sie ihr Handy abgeschaltet hatte, bevor sie in Lucias Haus gekommen war, sie nicht gerade beruhigte … besonders, da das Handy noch immer in ihrer Umhängetasche steckte, die im Wohnzimmer stand.
Lucia hatte ihr gerade erzählt, dass sie ihren Ehemann ermordet hatte, sodass sie vermutlich nicht sehr freundlich reagieren würde, sollte Grace ihr Handy holen wollen …
Vergiss das Handy erst einmal.
Stattdessen stellte sie eine neue Frage.
»Cathy hat mir erzählt, Kez hätte ihr einige dieser Dinge gestanden. Warum, glauben Sie, hat sie das nach so langer Zeit getan, und warum ausgerechnet Cathy gegenüber?«
»Das ist schwer für mich zu sagen«, antwortete Lucia.
»Sie kennen sie besser als irgendwer sonst«, hakte Grace nach.
»Das heißt aber nicht, dass ich verstanden habe, wie ihr Kopf funktioniert.«
Grace schwieg. Sie wartete.
»Ich glaube«, sinnierte Lucia, »dass es vielleicht Saul war, der sie zu diesem Geständnis und schlussendlich in den Tod getrieben hat. Eines ihrer Verbrechen war schließlich doch zu ihr zurückgekehrt. Denn indem sie Saul Leid zugefügt hatte, hatte sie auch Cathy verletzt, einen Menschen, der ihr sehr am Herzen lag.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht waren ihre Opfer vor Saul keine ›echten‹ Menschen für sie.«
Das waren gute Antworten, erkannte Grace.
Vernünftig und durchdacht.
Auf furchterregende Art.
139.
Terri war endlich zu Hause, und sie wusste, dass Sauls Dad recht hatte und sie ins Bett gehen sollte.
Aber sie wusste auch, dass es die richtige Zeit war – vielleicht die einzige Zeit, die sie bekommen würde –, den Job zu erledigen, den sie sich selbst gegeben hatte, jene Arbeit, bei der sie niemand hatte dabeihaben wollen. Sie sollte einen Abschlussbericht zu den Strandmorden schreiben. Dabei war Terri sich ziemlich sicher, dass niemand ihn würde lesen wollen, dass er ihre Karriere nicht im Mindesten voranbringen würde, wie sie es sich erhofft hatte. Aber sie wollte ihn für sich selbst schreiben, für ihre Oma und für ihren Opa von »New Yorks Besten«. Terri akzeptierte nun, dass sie in Bezug auf ihre Karriere voll ins Klo gegriffen hatte, dass man sie über glühende Kohlen würde laufen lassen, aber …
Cafecito! Genau das brauchte sie jetzt: einen kräftigen Schluck, um wieder klaren Kopf zu bekommen.
Dann der Bericht.
Und schließlich ein wenig Ruhe und wieder zurück zu Saul.
140.
Sam war wieder auf der I-75 und fuhr viel zu schnell. Aber noch hatten sie ihm seine
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