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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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gelassen.«
    »Geschenk.« Grace’ Stimme triefte vor Abscheu und Verachtung.
    »Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass er es nicht nahm«, sagte Lucia. »Oder es hätte Wind aufkommen und es davonwehen können, oder ein Vogel hätte es sich geschnappt, oder der Junge hätte es gar nicht bemerkt. Vielleicht hätte er sogar die Kraft gehabt zu widerstehen.«
    »Sie wussten, dass er dass niemals geschafft hätte«, erwiderte Grace. »Sie wussten es.«
    Halt dich zurück, ermahnte sie sich.
    Grace zwang sich, die nüchterne Seelenklempnerin zu spielen. Sie sagte sich immer wieder, dass Lucia vermutlich nicht so krank war wie ihre Nichte, aber auch sie war zutiefst verletzt worden und hatte als Nebenprodukt von Schrecken und Hilflosigkeit ihre eigene Boshaftigkeit entwickelt.
    Lucia Busseto hatte ihren Mann umgebracht.
    Sie hatte einen unschuldigen Teenager getötet.
    Sie hatte gewusst, dass Cathy sich mit Kez traf, dass sie sich in Kez verliebte, und sie hatte nichts  dagegen getan.
    »Sie haben davon gesprochen, Kez zu beschützen«, sagte Grace, »aber was ist mit den anderen?«
    »Kez war alles, was ich schaffen konnte«, antwortete Lucia. »Hätte ich zu viel über die anderen nachgedacht, hätte ich den Verstand verloren.«
    »Glauben Sie, das haben Sie nicht?«, fragte Grace.
    »Ich habe mich selbst verloren«, sagte Lucia, »schon vor sehr langer Zeit.«
    Grace wollte aufstehen, wollte gehen, doch wieder war ihr übel, und sie fühlte sich benommen. Außerdem musste sie bleiben. Sie musste hier sein, wenn Sam oder die Polizei kam. Sie musste dafür sorgen, dass sie verstanden, in was Lucia verstrickt war, was sie getan hatte. Nur weil Lucia ihr die Wahrheit gesagt hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie sie auch anderen erzählen würde. Also musste sie bleiben.
    Und es waren noch Fragen offen.
    »Warum mussten Sie Gregory töten?« Grace blieb, wo sie war. Sie saß auf ihrem hübschen weißen Stuhl und kämpfte gegen die Benommenheit an. »Der Junge hat nichts gewusst. Er wäre keine Bedrohung für Kez gewesen. Ich wette, Sie haben die meisten meiner Notizen gelesen. Das müssen Sie doch gewusst haben.«
    »Das stimmt. Er war keine Bedrohung«, sagte Lucia. » Noch nicht. Aber in Ihren Notizen hieß es, er wirke verängstigt. Und da war dieser Satz, den er immer wieder gesagt hat: ›Er hat mich gesehen.‹ Zwar ›er‹ und nicht ›sie‹, aber es bedeutet, dass Kez den Jungen gesehen hatte, also musste er auch sie gesehen haben.«
    »Aber er hat kein Wort über den Mord verloren, geschweige denn den Killer beschrieben.«
    »Nicht an diesem Tag. Aber dafür hätte es alle möglichen Gründe geben können. Vielleicht hatte er zu viel Angst. Vielleicht schämte er sich dafür, was er getan hatte. Oder sein Erinnerungsvermögen war durch die Angst kurzzeitig getrübt. Aber es bestand die Gefahr, dass er sich irgendwann an Kez erinnern würde – vielleicht unter Hypnose oder bei seinem nächsten Entzug, denn er wäre ohne Zweifel in die Klinik gekommen. Das konnte ich nicht zulassen, egal wie schwer es Ihnen fällt, das zu akzeptieren.«
    »›Schwer‹ ist nicht das richtige Wort«, sagte Grace.
    »Und wenn es um Cathy gegangen wäre?«, fragte Lucia. »Hätten Sie für Cathy nicht das Gleiche getan?«
    »Nein. Das hätte ich nicht. Ich hätte mich gefragt, wie weit ich für mein Kind gehen würde, und es gibt eine Menge undenkbarer Dinge, die ich tun würde.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber nicht das. Niemals.«
    »Ja«, sagte Lucia, »ich habe mir schon gedacht, dass Sie das sagen würden.«

142.
    »Keine Chance«, sagte Martinez zu Sam, der ihn gerade gefragt hatte, ob er vor ihm zu Lucia Bussetos Haus fahren könne. »Es sind nicht nur Kovac und Hernandez, die jetzt an meinem Fall hängen, es ist auch der Chief und …«
    »Mach dir darüber keine Sorgen«, unterbrach Sam ihn.
    »Ich mache mir aber Sorgen, Mann«, erwiderte Martinez.
    »Wir bleiben in Verbindung«, sagte Sam und legte auf.
    Die erste, vorhersehbare Reaktion seines Partners war gewesen, ihm zu sagen, er solle die Polizei von Key Biscayne alarmieren – »Hast du denn gar nichts gelernt, verdammt noch mal?« –, doch Martinez hatte rasch zugegeben, wie schwierig es sein würde, nahezu haltlose Verdächtigungen gegen eine ehrbare Witwe binnen weniger Minuten zu erklären. Außerdem, selbst wenn sie ein paar Streifenbeamte vorbeischicken würden, warum sollte Lucia sie nicht einfach an der Tür abwimmeln?
    Terri würde gehen,

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