Letzter Weg
ihres selbstgemachten Kräutertees brachte, Lucias Spezialität.
Lucia nannte ihn den »Schwangerschaftstee«; Grace hatte schon lange vergessen, was drin war. Verschwommen erinnerte sie sich an Kamille, Nesseln und Luzerne. Sie hatte bei Barbara Walden nachgefragt, bevor sie den Tee probiert hatte, und inzwischen hatte sie sich an den Geschmack gewöhnt.
»Macht er sich gut?« Lucia wusste, dass es nicht zur Diskussion stand, was Grace und Gregory Hoffman am Samstag besprochen hatten, auch wenn sie Zugang zu einigen Patientenakten hatte.
Lucia war einundvierzig Jahre alt und seit einem Jahrzehnt Witwe. Sie war eine kleine, schlanke, körperlich fitte Brünette mit ein paar silbernen Strähnen in ihrem lockigen, kurzen Haar, und sie lebte allein in Key Biscayne, im selben Haus, das sie früher mit ihrem Mann Phil geteilt hatte. Am meisten bedauerte sie, hatte sie Grace einmal anvertraut, dass sie keine eigenen Kinder habe – obwohl sie stets überschwänglich von Phils Nichte sprach, Tina, einer angehenden Krankenschwester in Naples, die ihr Ein und Alles war. Sie sagte Grace regelmäßig, dass es ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben hätte, für jemanden zu arbeiten, dessen raison d’être es war, jungen Menschen bei ihren Problemen zu helfen.
»Es war schon eine Weile her«, antwortete Grace nun, »seit ich Gregory zum letzten Mal gesehen habe.«
»Nippen Sie an Ihrem Tee, Doktor«, forderte Lucia sie auf und setzte sich an ihren eigenen Schreibtisch mit den Miniaturkräuterkrügen, die sie im Laufe der Zeit von zu Hause mitgebracht hatte. »Ich stelle keine Fragen – ich weiß, das darf ich nicht –, aber ich hatte sehr gehofft, dass es ihm endlich besser geht. Richten Sie ihmbitte meine besten Grüße aus, wann immer Sie es für angemessen halten.«
»Natürlich«, sagte Grace.
»Diese verdammten Drogen«, knurrte Lucia. »So ein netter Junge, so eine nette Familie.«
»Ja«, sagte Grace.
Lucia wechselte das Thema. »Hatten Sie nicht versprochen, am Wochenende nicht zu arbeiten?«
Grace lächelte. »Sie sind manchmal wirklich wie Dora.«
»Das liegt daran, dass wir beide uns um Sie sorgen.«
»Und ich bin Ihnen dankbar dafür«, versicherte Grace, »aber Sam und Cathy haben sich am Wochenende bereits um meinen Fall gekümmert, und der einzige Mensch, der mich im Augenblick nicht täglich in den Wahnsinn treibt, ist mein Schwiegervater, und der ist Arzt.«
»Vielleicht liegt das ja daran, dass er nicht täglich sieht, wie Sie es übertreiben«, erklärte Lucia und wechselte schon wieder das Thema. »Wie läuft es für Detective Becket mit seinem neuen Mord?«
»Sie wissen, dass ich auch darüber nicht reden darf«, sagte Grace, »selbst wenn ich etwas wüsste.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte Lucia leichthin. »Aber ich kann einfach nicht anders, als zu fragen. Wir alle werden ein bisschen ruhiger in unseren Betten schlafen, wenn der Killer hinter Gittern sitzt.«
»Mr Muller ist nicht in seinem Bett ermordet worden«, sagte Grace, die sehr wohl wusste, dass Lucias Aussage anders gemeint war.
»Am Strand. Ich weiß. Das ist genauso schlimm.« Lucia setzte die Brille auf, um mit der Arbeit zu beginnen, nahm sie dann aber noch einmal ab. »Cathy macht am Strand viel Lauftraining, nicht wahr?«
»Am Tage, ja«, sagte Grace, obwohl auch sie sich seit dem Mord schon Sorgen gemacht hatte.
»Sie läuft aber auch oft in der Abenddämmerung«, bemerkte Lucia.
»Bei Sonnenuntergang sind viele Leute da draußen«, sagte Grace. »Wollten Sie mein Stresslevel nicht verringern?«
»Ja«, antwortete Lucia. »Tut mir leid, Doktor.«
»Schon gut«, sagte Grace. »Und wann werden Sie endlich anfangen, mich Grace zu nennen?«
»Frauen mit akademischem Grad gebührt Respekt«, sagte Lucia.
Grace lächelte. Sie wusste, dass Lucia – die nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste, soviel sie wusste – die Vorstellung mochte, für eine Frau Doktor zu arbeiten, selbst wenn es nur eine Psychologin war.
Die Brille war wieder auf halbem Weg Lucias gebogene Nase hinunter. »Glaubt Detective Becket immer noch, dass es keine direkte Verbindung zur Trent University gibt?«
»Lucia!«, tadelte Grace.
»Schon gut«, sagte Lucia. »Tut mir leid.«
Grace ließ sich beschwichtigen. »Ich bin sicher, dass die Polizei auch die Uni überprüft«, sagte sie, »aber der arme Mann kann genauso gut von einem Fremden ermordet worden sein wie von einem Bekannten.«
»Gott schenke seiner Seele Frieden«, sagte
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