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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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nötig«, meldete sich Kez. »Wir können ja einfach gehen …«
    »Das ist überhaupt kein Problem.« Grace hatte Mitleid mit ihr.
    Nachdem der Hund weggesperrt war, holten sie sich in der Küche etwas zu trinken und gingen hinaus auf die Veranda.
    »Ich bin als Kind mal gebissen worden.« Kez war sichtlich verlegen. »Ich musste genäht werden und bekam Spritzen. Ich bin nie darüber hinweggekommen.«
    »Das kann man dir nicht zum Vorwurf machen«, sagte Cathy.
    »Es ist idiotisch«, erwiderte Kez.
    »Das ist ganz normal«, sagte Grace.
    »Das hält die Leute aber nicht davon ab, mich auszulachen, besonders wenn die Hunde niedlich sind.«
    » Ich würde nicht lachen«, sagte Cathy.
    Kez lächelte sie an. »Nein«, sagte sie, »du nicht.«
    Die Verbindung zwischen den beiden hinterließ einen nachhaltigen Eindruck bei Grace.
    Sie hatte das Gefühl, als wäre es der Anfang von mehr als Freundschaft, jedenfalls aus Kez’ Sicht. Grace glaubte, ein starkes Gefühl in den interessanten Augen der jungen Frau gesehen zu haben.
    Sie alle hatten Cathys Aufregung vergangenen Freitagabend bemerkt, als sie von ihrem Treffen mit der College-Leichtathletin berichtet hatte, und Grace war inmitten dieser Aufregung noch ein gewisses Maß an Heldenverehrung aufgefallen, mehr aber nicht.
    Jetzt war da aber mehr, erkannte sie, als die zwei jungen Frauen ihre Gläser leerten, noch ein wenig sitzen blieben und sich über ihre Hauptfächer austauschten. Kez schien überdies ehrlich interessiert zu sein an Grace’ und Sams unterschiedlichen Berufen.
    »Ist sie nicht großartig?«, flüsterte Cathy Grace zu, als sie aufbrachen. Kez war ein Stück vorausgegangen und außer Hörweite. »Findest du nicht auch?«
    Grace schaute Cathy in die blauen Augen – sie waren ihren so ähnlich, dass Fremde sie häufig für leibliche Mutter und Tochter hielten, nahm man noch das glatte, blonde Haar hinzu –, und Grace erkannte, dass sie diese Augen noch nie so hatte funkeln sehen. Und dann folgte unmittelbar ein weiterer Gedanke: dass Cathy trotz all ihrer Erfahrungen noch immer sehr naiv und Kez Flanagan offenbar verfallen war.
    Die Vorstellung beunruhigte Grace, und das nicht nur, weil sie den Eindruck hatte, dass Kez lesbisch war. Würde es dir etwas ausmachen?, fragte sie sich beinahe vorwurfsvoll. Würde es dir etwas ausmachen, wenn Cathy lesbisch oder bisexuell wäre?
    So viele Gedanken in einem einzigen Augenblick.
    »Sie ist sehr nett«, beantwortete sie Cathys Frage.
    Grace winkte den beiden zum Abschied, schloss die Tür und machte sich Sorgen.
    Tatsächlich hatte Cathy in ihrem bisherigen Leben nur sehr wenige Freunde gehabt. Einmal war sie zu Grace gekommen, um ihr zu sagen, dass sie sich mit einem Jungen namens Nick Cohen treffe und beschlossen habe, die Pille zu nehmen. Diese Beziehung war jedoch kurze Zeit später schon wieder zu Ende gewesen, und seitdem sah es mit Jungs in ihrem Leben ziemlich dünn aus … jedenfalls soweit Grace und Sam es sagen konnten.
    Cathy schien das nie auch nur im Mindesten gestört zu haben.
    Sicherlich hatte es nie irgendwelche Hinweise gegeben, dass Cathy Zweifel in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung hegte, überlegte Grace auf dem Weg zu ihrem Büro, um sich Notizen zu der Sitzung mit Gregory Hoffman zu machen. Grace wusste jedoch nur allzu gut um die schier unendlichen Rätsel, die sich in der menschlichen Psyche verbargen. Und in mancher Hinsicht hatte sie jetzt natürlich nur noch eingeschränkt Zugriff auf Cathys geheimste Geheimnisse, nun da sie nicht ihre Therapeutin, sondern ihre Mutter war.
    Es bestand durchaus die Möglichkeit, überlegte Grace, dass Cathy sich zunächst unwohl gefühlt hätte, sollte sie sich plötzlich von einer anderen Frau körperlich angezogen fühlen – vielleicht in Erinnerung an ihre verstorbene, streng katholische Mutter. Und falls Cathy das Gefühl gehabt haben sollte, ein Coming-out oder auch nur eineAndeutung ihrer Neigungen könnte die Befindlichkeit ihrer Familie auch nur im Geringsten negativ beeinflussen, hätte sie die Wahrheit vermutlich ganz unterdrückt, hätte sie vergraben, vielleicht sogar vor sich selbst.
    Irgendetwas an Kez Flanagan hatte Grace berührt. Es war die Art, wie sie auf Woody reagiert hatte, die plötzliche Angst, die einige vielleicht als Schwäche interpretieren würden. Bei einer zähen jungen Leichtathletin könnte so etwas zu Unsicherheit führen.
    Dann passte sie womöglich ganz gut zu Cathy.
    Solange Kez ihr nicht wehtat.
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