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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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eingeschlafen, und Cathy hatte so lange still gelegen, wie sie gekonnt hatte. Irgendwann aber war sie dann aus dem Bett gekrochen und hatte sich aus dem Schlafzimmer geschlichen, ohne Kez zu wecken.
    Es gab keinen Grund, warum sie beide Schlaf verlieren sollten.
    Cathy hatte sich einen Bademantel vom Haken an der Badezimmertür genommen – Kez hatte ihr gesagt, sie solle sich wie zu Hause fühlen – und war hinaus auf die Veranda gegangen. Vorsichtig hatte sie die knarrende Terrassentür geöffnet, und es war einfach nur schön gewesen, ein paar Minuten lang draußen in der warmen Dunkelheit zu sitzen, während der sanfte Nachtwind in den Banyanbäumen rauschte und in ihrem langen Haar spielte.
    Plötzlich bekam sie einen Anfall seltsamer Klaustrophobie, und so ging sie wieder in die kleine Küche und kochte sich Tee.
    Das alles war einfach zu viel Aufregung für sie.
    Cathy erinnerte sich daran, wie ihre Mutter ihr immer Vorhaltungen gemacht hatte, wenn sie so aufgeregt gewesen war – damals, als sie noch ein Kind gewesen war in jenen glücklichen Tagen, nachdem Arnie in ihr Leben getreten war und sie in dem Haus am Pine Tree Drive gelebt hatten.
    In dem Haus, wo sie ermordet worden waren.
    Doch das lag in der Vergangenheit, und da gehörte es auch hin.
    Nun war wie Welt anders, und Cathy hatte eine andere Familie.
    Und jetzt Kez Flanagan.
    Noch ein, zwei Züge Dope, dachte sie; das würde ihr vielleicht helfen, dieses wunderbare und so schwer zu fassende Gefühl der Entspannung zurückzuerlangen.
    Cathy schaute sich nach dem kleinen Holzkästchen um und erinnerte sich dann, dass Kez es vorhin aus dem Zimmer geholt hatte, das sie ihre Rumpelkammer nannte.
    »Eigentlich soll das meine Dunkelkammer sein«, hatte Kez gesagt, »aber meist nutze ich die entsprechenden Räume in Trent; deshalb hat sich da im Laufe der Zeit immer mehr Kram angesammelt.«
    Cathy zögerte kurz und öffnete dann die Tür.
    Rumpelkammer traf es ziemlich genau. Chaos und Staub waren die hervorstechendsten Merkmale – und in der Ecke am Fenster stand ein alter Kippstandspiegel mit einem langen, gezackten Riss mitten durch ihn hindurch. Cathy war bereits aufgefallen, dass es im Badezimmer keinen Spiegel an der Wand gab, nur einen kleinen in einer Puderdose, die offen auf dem Regal stand. Vielleicht, überlegte Cathy, hatte das etwas mit Kez’ unerklärlicher Abneigung gegen ihr eigenes Aussehen zu tun.
    Das Fotolabor-Equipment stand rechts auf einem Tisch: staubige Flaschen und leere Entwicklerschalen. Offenbar war hier schon lange nicht mehr gearbeitet worden, und das überraschte Cathy ein wenig, denn selbst wenn Kez vorwiegend in Trent arbeitete – eine wirklich leidenschaftliche Fotografin würde hin und wieder auch ein heimisches Labor nutzen. Aber vielleicht hatte Kez »Fotografie« auch nur als Hauptfach belegt, weil sie irgendetwas belegen musste, um die sportlichen Möglichkeiten der Universität nutzen zu können – was, wenn Cathy ehrlich war, auch für sie galt.
    Sie wurden sich von Mal zu Mal ähnlicher …
    Cathy suchte nach dem Dope, was nicht einfach war inmitten all der Pappkisten, Mülltüten und alten Laufschuhe.
    Von dem Holzkästchen war keine Spur zu sehen, doch in der Ecke gegenüber vom Spiegel stand eine große Truhe aus Walnussholz mit einer Schnitzerei, die der des Kästchens ähnlich war. Ein paar Fingerabdrücke im Staub auf dem Deckel machten die Truhe zum aussichtsreichsten Fundort bei der Suche. Cathy wollte nur nach demMarihuana und Zigarettenpapier suchen, doch nachdem sie die Truhe erst einmal geöffnet hatte und die beiden Silberpokale sowie die zwei Urkunden sah, konnte sie nicht widerstehen. Sie kniete sich hin, kramte vorsichtig in der Truhe und wurde bald fündig: alte Schnappschüsse von Kez als Kind, wie sie in der Grundschule Rennen lief, und dann ähnliche Bilder aus ihrer Highschoolzeit – welche Konzentration sich schon damals auf ihrem Gesicht abgezeichnet hatte! Kez hatte gesagt, sie sei ein hässlicher Teenager gewesen, aber das stimmte ganz und gar nicht. Doch falls sie tatsächlich so empfunden haben sollte, dann musste …
    Etwas anderes erregte Cathys Aufmerksamkeit.
    Es war eine Art Paket, ein seltsam aussehendes, langes Ding, eingewickelt in Stoff und nicht in Papier. Als Cathy sich vorbeugte, erkannte sie, dass es sich bei dem Umschlag um ein altes, fleckiges, gestreiftes Sporthemd handelte.
    Fasziniert nahm sie das Ding aus der Truhe, prüfte sein Gewicht, wickelte ein Ende aus

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