Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Zorn ballte er die Fäuste.
Jacqueline öffnete die Zimmertür vorsichtig einen Spalt breit und lauschte.
»Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind, Mrs. Gordon-Smith. Der Fall wird zu den Akten gelegt. Es wird keine Anklage gegen Sie erhoben werden«, sagte Sergeant Riley.
Jacqueline wusste nicht genau, was der Polizeibeamte damit meinte, aber sie sah, dass ihre Mutter alles andere als erleichtert wirkte, und das verwirrte sie. Der Sergeant trat näher zu ihrer Mutter hin und raunte ihr etwas zu, das Jacqueline aber nicht verstehen konnte. Das blasse Gesicht ihrer Mutter verzerrte sich vor Kummer, und sie rang nervös die Hände, was sie nur tat, wenn sie sehr aufgewühlt war.
»Es ist mir egal, was Sie sagen«, brach es aus ihr hervor. »Ich bin schuldig! Ich weiß es, und die da wissen es auch.« Sie machte einevage Handbewegung zu der Menge draußen auf der Straße hin und begann unvermittelt zu schluchzen.
Lionel legte seiner Frau tröstend seinen Arm um die zuckenden Schultern. »Hör auf, dir Vorwürfe zu machen, Maggie. Woher hättest du wissen sollen, dass das kleine Mädchen auf dem Parkplatz war? Es war dunkel, und sie hätte um diese Zeit zu Hause sein sollen. Wenn man jemandem die Schuld an diesem schrecklichen Unglück geben kann, dann ihren Eltern.«
»Aber ich wusste, dass sie immer wieder zur Ballettschule kam«, erwiderte Margaret unter Tränen. »Ich hätte besser aufpassen müssen. Ich hätte mich vergewissern müssen, dass sie nicht in der Nähe ist.«
»Das hätte auch nichts geändert. Du warst nicht für sie verantwortlich, Maggie. Wann wirst du das endlich begreifen?«, stieß Lionel frustriert aus.
Er wusste nicht mehr, wie oft er in den letzten beiden Tagen versucht hatte, ihr ihre Schuldgefühle auszureden, aber Margaret wollte einfach nicht auf ihn hören. Als ehemalige professionelle Balletttänzerin, die an der privaten Vivienne School of Ballet unterrichtete, konnte sie die Begeisterung des kleinen schwarzen Mädchens für das Tanzen sehr gut verstehen. Sie machte sich bittere Vorwürfe, dass sie sich nicht stärker für die Kleine eingesetzt hatte, deren sehnlichster Wunsch es gewesen war, Ballettunterricht zu nehmen.
Jacqueline versuchte, sich einen Reim auf das, was sie aufgeschnappt hatte, zu machen. Offenbar gab ihre Mutter sich die Schuld am Tod eines schwarzen Mädchens, und die Schwarzen in der Stadt schienen sie ebenfalls dafür verantwortlich zu machen. Aber was genau sollte ihre Mutter getan haben? Und wie war das kleine Mädchen ums Leben gekommen? War sie überfahren worden?
Jacqueline hatte Angst, die Polizei werde ihre Mutter mitnehmen, doch es sah nicht danach aus. Sie freute sich natürlich darüber,aber sie fragte sich auch, weshalb die Menschen draußen auf der Straße so wütend waren, wenn ihre Mutter unschuldig war.
»Sie sollten wissen, dass da draußen auch einige Reporter warten«, fügte der Sergeant warnend hinzu. »Wenn die Zeitungen Wind davon bekommen, dass wegen Valmae Browns Tod keine Anklage gegen Sie erhoben wird, könnte das die Stimmung anheizen.« Er sah Lionel ernst an. »Das heißt, es könnte noch wesentlich mehr Ärger geben. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Sie die Stadt für eine Weile verlassen würden.«
Was er in Wirklichkeit dachte, nämlich, dass es für die Familie lebensgefährlich sein könnte zu bleiben, behielt er für sich, da Margaret sich ohnehin schon am Rand eines Nervenzusammenbruchs befand. Er brauchte nicht deutlicher zu werden. Lionel arbeitete in der britischen Botschaft, er wusste um die Brisanz der Situation.
Im gleichen Augenblick ließ ein gewaltiges Krachen und Klirren, das vom Nachbarhaus kam, sie alle zusammenfahren.
»Margaret, schau bitte nach den Kindern«, bat Lionel. Als sie außer Hörweite war, fragte er mit gedämpfter Stimme, wobei er abermals einen besorgten Blick nach draußen warf: »Was meinen Sie, werden wir jemals in unser Zuhause zurückkehren können?«
»Ich wollte Ihre Frau nicht unnötig beunruhigen, Sir, aber ich an Ihrer Stelle würde die Stadt so schnell wie möglich verlassen. Ich habe nicht genug Leute, um Sie und Ihre Familie im Ernstfall schützen zu können, und der Pöbel da draußen will Blut sehen.« Der Sergeant senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Die Ballettschule, wo Valmae Brown ums Leben kam, wurde vor ein paar Stunden in Brand gesetzt, und am Everglade Drive sind zwei Geschäfte überfallen und verwüstet worden.
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