Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leuchtende Sonne weites Land - Roman

Titel: Leuchtende Sonne weites Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser
Vom Netzwerk:
Margaret. Sie spürte, wie der Wagen auf der glatten Straße ins Rutschen kam, und klammerte sich an ihren Sitz. Das Schneetreiben war so dicht, dass sie kaum ein paar Meter weit sehen konnten.
    Lionel blickte nervös in den Rückspiegel. Die Scheinwerfer hinter ihnen kamen rasch näher, und sie waren praktisch völlig allein auf dieser Schnellstraße. Nackte Angst schnürte Lionel die Brust zusammen. Er malte sich aus, wie seine Frau und seine Kinder von Valmae Browns Angehörigen aus Rache ermordet wurden. Das durfte er nicht zulassen. Seine Familie bedeutete ihm mehr alsalles auf der Welt, und sie verließen sich darauf, dass er sie beschützte. Er flehte im Stillen, dass ein Wunder geschah.
    Die Straße beschrieb einen lang gezogenen Rechtsbogen. Lionel schlug das Lenkrad ein, aber der Wagen reagierte nicht, die Räder blockierten. Sie fuhren geradewegs auf die Gegenfahrbahn. In diesem Moment näherte sich ein Fahrzeug. Lionel kniff die Augen gegen das grelle Scheinwerferlicht zusammen. Er hörte noch, wie Margaret einen gellenden Schrei ausstieß, dann prallten sie mit dem Kühler in eine Schneeverwehung am Straßenrand, fast gleichzeitig wurden sie von dem entgegenkommenden Fahrzeug gerammt. Der Wagen schoss über die Leitplanke hinweg und eine Böschung hinunter, überschlug sich mehrfach und blieb neben einer Bahnlinie auf dem Dach liegen.
    Plötzlich war es totenstill. Nur das Surren und Zischen der sich drehenden Räder war zu hören.
    Als Jacqueline die Augen aufschlug, herrschte Dunkelheit rings um sie her. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Sie wusste nur, dass ihr Genick und ihre Schulter furchtbar wehtaten und sie entsetzlich fror. Erst nach einer ganzen Weile wurde ihr klar, dass sie auf der Innenseite des Wagendachs lag und nicht auf der Rückbank.
    »Mom?«, krächzte sie schwach. »Dad?« Niemand antwortete.
    Sie tastete mit beiden Händen ihre Umgebung ab. Jacqueline fand Mitchell im selben Moment, als der Strahl einer Taschenlampe sein lebloses, blutüberströmtes Gesicht erfasste. Seine Spielzeuglok lag neben ihm.
    »Wach auf, Mitchell«, wisperte Jacqueline, die eine düstere Vorahnung überkam. »Mitchell? Wach doch auf!«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie hörte Stimmen, einige waren weiter weg, andere ganz nah. Sie lauschte. Ob ihre Eltern sich schon aus dem Wagen befreit und Hilfe geholt hatten?
    »Alles in Ordnung?«, fragte eine freundliche männliche Stimme. Jacqueline drehte den Kopf ein klein wenig und erblickteeinen Mann, der im Schnee kniete und durch das zersplitterte Fenster zu ihr hereinsah. »Hab keine Angst, wir holen dich gleich da raus.«
    »Wo ist meine Mom?«, wimmerte das Mädchen. »Ich will zu meiner Mom.«
    Obwohl sie benommen und völlig verwirrt war, hörte sie genau, wie jemand leise sagte: »Der Junge und die Frau haben es nicht geschafft.«
    Diese Worte sollten ihr Leben für immer verändern.

1
    Oktober 1964
Küste von South Australia
    »Da bist du ja, Henry!«, rief Jacqueline, als sie ihren Mann an der Schiffsreling erblickte.
    Henry, der sich angeregt mit einer blonden Frau unterhalten hatte, fuhr erschrocken herum. »Jacqueline!« Die Umstehenden blickten verblüfft auf, so entgeistert hatte er den Namen seiner Frau ausgesprochen. »Ich habe gar nicht damit gerechnet … ich meine, schön, dass du an Deck gekommen bist, Liebes.« Er lächelte gezwungen.
    Jacqueline hatte seit Wochen kaum etwas zu sich genommen, deshalb war sie entkräftet und ganz außer Atem, nachdem sie von ihrer Kabine auf dem C-Deck die drei Treppen zum Promenadendeck hinaufgestiegen war. Sie war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie die merkwürdige Reaktion ihres Mannes nicht bemerkte. Auf wackligen Beinen stakste sie auf dem schlingernden Schiff an die Reling und umklammerte sie mit beiden Händen.
    »Als ich durch das Bullauge Land gesehen habe, hielt ich es unten nicht mehr aus.« Jacqueline zog die salzige Seeluft tief in die Lungen. »Herrlich! Endlich wieder frische Luft!« Sie schloss die Augen und streckte ihr blasses Gesicht der Morgensonne entgegen, die sie mit ihren warmen Strahlen liebkoste.
    Zum ersten Mal seit Wochen war ihr nicht sterbenselend. Seit sie in Amerika an Bord der Liberty Star gegangen war, war sie seekrank gewesen. Der Schiffsarzt hatte ihr verschiedene Mittel gegen die heftige Übelkeit verabreicht, aber nichts hatte wirklich geholfen. Viele Menschen würden seekrank, sogar Seeleute seien nichtdagegen gefeit, hatte er ihr

Weitere Kostenlose Bücher