Leuchtendes Land
schwerfallen, einen Ehemann zu finden, da sie so selten unter Leute geht. Und dann ist da noch das Hinken.«
»Was hat denn das damit zu tun?«
Thora lächelte ihn engelhaft an. »Nichts, solange es Männer wie Sie gibt. Warum heiraten Sie Alice nicht?«
Er schoss wie von der Tarantel gestochen von seinem Sitz hoch. »Was? Ich soll Miss Price heiraten? Wie kommen Sie darauf, Missus? Das passt doch nicht.«
»Warum denn nicht? Wir sind doch nicht mehr in unserer alten Heimat. Sie würden gut zueinander passen, das habe ich durchaus bemerkt.«
»Was zählt, ist Miss Prices Meinung, nicht Ihre.«
»Ha, wusste ich’s doch! Sie interessieren sich für sie! Nun, ich habe meinen Teil dazu gesagt. Selbst wenn Alice jemand anderen heiraten sollte, würde sie sehr unter dem Abschied von Lancoorie leiden. Eine Ehe mit Ihnen könnte ihr diesen Schmerz ersparen.«
Als sie in die Hauptstraße von York einbogen, konnte Thora ihm die Erleichterung, sie bald los zu sein, förmlich ansehen. Sie sagte nichts mehr und lehnte sich in ihrem eleganten blauen Kostüm im Sitz zurück, während sie an bekannten Gesichtern vorbeifuhren.
Thora hatte ihren Aufbruch auf den Fahrplan der Kutsche nach Northam abgestimmt, damit ihr ein Besuch zu Hause erspart blieb. Um nichts in der Welt hätte sie zugegeben, dass sie sich auf Lancoorie zu Tode langweilte. Ihre Familie hätte sie mit Fragen gelöchert und sich gewundert, was sie ohne ihren Ehemann in Perth machte. Es würde mehr Spaß machen, sie mit Postkarten aus der Stadt zu überraschen. Ihre Schwestern würden vor Neid erblassen.
Als sie schließlich einen guten Platz in Fahrtrichtung ergattert hatte, lächelte Thora zufrieden. Sie betete, George und Alice würden heiraten. Dann hätte sie eine perfekte Ausrede dafür, warum sie nicht mehr auf Lancoorie leben wollte. Sie kannte Clem. Wenn er heimkam, würde er sich sofort auf ihre Spur begeben. Falls die Heirat dann schon beschlossene Sache war, brauchte sie sich um ihre Zukunft fern der Schaffarm keine Sorgen mehr zu machen.
Thora sah auf Lydia hinunter, die zum Entzücken der weiblichen Mitreisenden in ihrem Korb fröhlich vor sich hin gluckste. Als die Kutsche sich in raschem Tempo auf Northam zubewegte, beugte sich eine der Frauen vor. »Waren Sie auch zu Besuch in York, meine Liebe?«
»Nein, ich nehme den Zug nach Perth.«
»Ganz allein mit Ihrem Baby?«
»Ja.«
Die Frau rückte ihre Brille zurecht und spähte missbilligend zu Thora hinüber. »Ich weiß nicht, wohin das noch führen soll. Zu meiner Zeit sind junge Damen nie ohne Begleitung gereist.«
Thora sah ihr fest in die Augen. »Es ist alles in Ordnung. Die Zugfahrt soll sehr angenehm sein.«
»Tatsächlich? Dann sind Sie aber vollkommen falsch informiert. Vor dem Goldrausch mag das der Fall gewesen sein, aber inzwischen hat sich das Zugfahren in einen Alptraum verwandelt. Die Züge sind hoffnungslos überfüllt.«
»Keine Sorge, ich reise erster Klasse.«
»Dann werde Sie die Gesellschaft erstklassiger Gauner und vulgärer Gestalten genießen können, die von den Goldfeldern heimkehren. Die anderen Wagen sind vollgestopft mit den Unglücklichen, die im Westen alles verloren haben und gerade noch genügend Geld zusammenkratzen konnten, um die Zugfahrt zu bezahlen. Hören Sie auf meinen Rat, und fahren Sie mit der nächsten Kutsche nach Hause.«
»Das geht nicht«, erwiderte Thora knapp.
»Wo ist denn Ihr Ehemann?«
»In Perth«, log sie.
»Dann sollten Sie ihm besser telegrafieren, damit er Sie abholen kommt. Meine Schwester hier, Mrs. Cowper, hätte sicher nichts dagegen, wenn wir Sie bis dahin in unserem Haus in Northam aufnehmen. Ein Mädchen vom Land wie Sie kann man doch nicht allein durch die Straßen laufen lassen …«
»Auf keinen Fall«, stimmte Mrs. Cowper ihrer Schwester zu. »Vor allem nicht mit dem kleinen Kind. Selbst wenn Sie ein Hotelzimmer fänden, wäre es nicht angemessen.«
Thora hatte ein wenig an Selbstvertrauen verloren, da man sie als Mädchen vom Land bezeichnet hatte, während sie sich doch nach der neuesten Mode gekleidet wähnte. Die Warnungen machten sie allmählich nervös, doch sie war immer noch fest entschlossen, nach Perth zu reisen.
Dankbar verbrachte sie einige Stunden im Haus der beiden Damen, das ganz in der Nähe des Bahnhofs lag. Sie erfrischte sich und fütterte Lydia. Zwischenzeitlich hatten ihre Gastgeberinnen herausgefunden, dass der Zug nach Perth mit Verspätung eintreffen würde. Nur durch Mrs. Cowpers
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