Leuchtendes Land
mit Lydia dieses Haus zu verlassen. Ich bin ein Stadtmensch und halte es hier weder mit ihm noch ohne ihn aus. Wir haben seit Wochen keinen Besuch mehr gehabt, und beim letzten Mal sind auch nur die Postles gekommen.«
Alice war am Boden zerstört, versuchte aber, ihr Entsetzen zu verbergen. »Willst du nach York fahren, um deine Familie zu besuchen?«
»Nein! Sie haben sich nie wieder die Mühe gemacht herzukommen. Lettice schreibt mir, das ist alles. Und du weißt genau, dass mein Vater noch immer wütend wegen des Fuhrunternehmens ist. Mich stört das nicht weiter, schließlich haben wir an dem Geschäft gut verdient.«
»Wenn du dich hier draußen so einsam fühlst, Thora, könnten wir nach York fahren und eine Woche im Hotel wohnen. Du könntest deine Freunde besuchen und ihnen Lydia vorstellen. Sie ist so ein hübsches Kind, sie werden von ihr begeistert sein.«
Thora runzelte die Stirn. »Alice, wir reden die ganze Zeit aneinander vorbei. Es hat keinen Sinn.« Sie stützte sich auf die Rückenlehne eines Stuhl, der wie eine Barriere zwischen ihnen stand. »Du solltest wissen, dass ich niemals Freunde hatte. Ich bin kein sehr offener Mensch.« Sie errötete leicht. »Mit meiner Familie habe ich mich nie sehr gut verstanden, von Lettice einmal abgesehen – die kommt aber ohnehin mit jedem zurecht.«
Thora seufzte. »Was ich zu sagen versuche ist, dass du ein liebenswerter Mensch bist. Wirklich nett. O Gott, mir ist das alles so peinlich, weil du zu mir und Lydia so gut gewesen bist. Ich möchte dir dafür danken, bevor ich gehe. Du sollst nicht schlecht von mir denken.«
Überrascht sprang Alice auf und schloß Thora in die Arme. »Du meine Güte, du gehörst doch zur Familie, und ich habe dich sehr gern.«
Doch Thora war in Tränen ausgebrochen. »Dies hier ist dein Haus, Alice, nicht meins. Ich hatte zuerst Angst, du würdest mich schlecht behandeln, doch du hast dich immer anständig verhalten. Du liebst diese Farm, ich hasse sie, und deshalb muss ich fort von hier.« Sie schniefte in ihr Taschentuch. »Könnte ich ein Glas Wein haben? Es ist schon nach fünf.«
»Wir könnten beide etwas vertragen. Wie wäre es mit dem Claret? Dein Lieblingswein wird uns schon wieder aufmuntern.«
Während Alice Karaffe, Gläser und Salzgebäck auf dem Tablett mit dem weißen Damasttuch anordnete, wie Thora es ihr für die Bewirtung von Gästen beigebracht hatte, betete sie innerlich, Clem möge umgehend heimkehren. Ihr war klar, dass ihr die Situation allmählich über den Kopf wuchs. Andererseits kannte sie ihren Bruder gut genug, um zu wissen, dass er seine Pläne stets hartnäckig zu verfolgen pflegte. Wenn er mit dem Segen seiner Frau auf die Goldfelder gezogen war, um reich zu werden, würde er dort bleiben, bis er sein Ziel erreicht hatte. Aus der Tatsache, dass er vor einigen Monaten Geld von dem Konto abgehoben hatte, war ersichtlich, dass er gewisse Anfangsschwierigkeiten gehabt haben musste, doch nun hatte sich das Blatt offensichtlich gewendet. Clem wusste ganz genau, dass Thora sich mehr vom Leben erhoffte, als sich auf einer einsamen Schaffarm zu langweilen, und für dieses Ziel arbeitete er. Wäre seine Frau nicht gewesen, hätte er sich vermutlich gar nicht für das Gold interessiert. Alice hütete sich jedoch, dieses Argument bei Thora anzuführen, weil sie keinen Keil zwischen die beiden treiben wollte. Clem befand sich so oder so in einer wenig beneidenswerten Lage. Wenn er jetzt nach Hause zurückkehrte, würde das Leben auf Lancoorie weitergehen wie gewohnt. Sie würden bedeutend mehr Land bewässern müssen, um mehr Schafe ernähren und den Besitz vergrößern zu können, was Jahre in Anspruch nehmen würde.
Doch falls er weiter nach Gold suchte, würde er seine Frau verlieren.
Alice schenkte den Wein ein. »Auf uns beide«, sagte sie fröhlich, doch ihr Toast stieß nur auf Schweigen.
»George müsste bald kommen«, bemerkte Thora gedankenverloren.
»Nein, er zäunt den Besitz der Postles ein. Sie können sich jetzt einen Mitarbeiter leisten; wir teilen uns George mit ihnen. Er bleibt über Nacht dort.«
»Oh.«
Alice trank den gehaltvollen Claret. Eigentlich zog sie mittlerweile einen leichten Weißwein vor, doch was tat man nicht alles um des lieben Friedens willen.
»Reden wir Klartext miteinander. Du möchtest irgendwohin fahren, aber York kommt nicht in Frage. Wohin willst du denn?«
»Nach Perth, ich möchte in Perth leben. Ich miete dort ein Haus, bis er mir eins
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