Leuchtendes Land
Kind für ihr eigenes hält. Du musst deine Worte vorsichtiger wählen.«
Sosehr sich Alice auch bemühte – Clem ließ sich nicht zu einer Reise nach Perth überreden. So schrieb sie an Thora, dass Clem zu Hause auf sie warte, und wünschte ihr einen schönen Urlaub. Mehr konnte sie nicht tun. Clem wiederholte ständig, er habe, was Perth anginge, eigene, langfristige Pläne. Das war alles.
Die Arbeiter, die das Land einzäunten, machten gute Fortschritte. Sie waren nicht mehr jung und verfügten über langjährige Erfahrung, so dass Clem sie unbeaufsichtigt arbeiten lassen konnte. Das erleichterte ihn ungemein. Als er nach Hause ritt, kam er sich seltsam verloren vor. Das lag nicht nur an Thoras Abwesenheit, obwohl er fast ständig an sie dachte.
Lancoorie schien seinen Glanz eingebüßt zu haben. Er konnte sich nur schwer auf die Arbeit konzentrieren, obgleich sich nichts geändert hatte und das Leben wie immer dem Wechsel der Jahreszeiten unterworfen blieb. Dennoch spürte Clem, dass dies nicht mehr der Mittelpunkt seines Lebens war. Oft genug hatte er gejammert, weil das Leben in Kalgoorlie so hart gewesen war, doch hatte es ihm auch Abwechslung geboten, die Begegnung mit den verschiedensten Menschen ermöglicht, und er hatte erfahren, was Kameradschaft war. Alice und George mochte er seine Ruhelosigkeit nicht eingestehen, da sie ihn bestimmt auslachen und sagen würden, dann solle er eben seine Frau nach Hause holen.
Wenn sie nur wüssten, wie sehr er sie vermisste! Doch wenn er sich die Wahrheit eingestand, musste er zugeben, dass er Angst hatte, ihr zu begegnen. Sie sollte aus freien Stücken heimkehren. Tief im Herzen wusste Clem, dass Thora ihn verlassen hatte und nicht etwa nur Urlaub machte, wie Alice ihm einreden wollte.
Offensichtlich hatte Alice keine Ahnung davon, dass ein Liebesleben in ihrer Ehe so gut wie nicht existiert hatte, denn Thora interessierte sich nicht im Geringsten für Sex. Clem hatte sich Alices und Georges taktvolle Äußerungen über Ehebetten und die Erwartungen einer jungen Ehefrau geduldig angehört. Ihre Worte hatten geklungen, als habe er dem armen Mädchen Schlimmes zugefügt, indem er sich aus dessen Leben gestohlen hatte. Er hätte ihnen ins Gesicht lachen können! Falls Thora ihn überhaupt vermisst haben sollte, dann bestimmt nicht im Schlafzimmer.
Alice und George hatten sich ein eigenes Doppelbett gekauft und es flachsend, weil es darin nun auch doppelt eng war, in Alices kleinem Zimmer aufgestellt. Wie glücklich sie waren! Clem war es nicht entgangen, dass seine scheue Schwester förmlich aufblühte. Ihre Augen blitzten, und sie schenkte George ein liebevolles Lächeln, sobald er in ihre Nähe kam. Clem freute sich für die beiden, konnte aber ein Gefühl der Eifersucht nicht unterdrücken.
Warum konnte Thora nicht sein wie Alice? Schließlich hatte sie vor der Ehe sogar schon sexuelle Erfahrungen gesammelt.
»Du lieber Himmel«, murmelte er, als er sein Pferd zum Stausee führte, um es zu tränken, »Alice war Jungfrau, als sie heiratete, und jetzt genießt sie das Eheleben in vollen Zügen. Warum gelingt das Thora nicht?«
»Weil sie dich nicht liebt«, antwortete eine innere Stimme. »Bei dir hat sie lediglich Zuflucht gesucht, als alles um sie herum in Aufruhr war. Als verheiratete Frau ist sie gesellschaftlich nicht mehr stigmatisiert, und du hast deinen Zweck erfüllt. Sie hat dich verlassen. Und den Grund dafür hast du ihr auf einem Silbertablett gereicht.«
Er erschauerte. Deshalb hatte er Angst, ihr gegenüberzutreten. Und wenn er nun nach Perth fahren und auf ihre Rückkehr pochen würde? Doch eine Heimkehr unter Zwang würde nur einen weiteren Keil zwischen sie treiben. Schlimmstenfalls würde sie sich weigern mitzukommen. Was dann?
»Leute haben Speer in dich gesteckt, Boss!«
Clem fuhr herum und entdeckte die alte Sadie, die mit gekreuzten Beinen unter einem Baum saß.
»Woher weißt du das?«
Ein Lächeln entblößte die kräftigen, weißen Zähne in ihrem schwarzen Gesicht. »Reden von schwarzen Leuten. Was hast du mit Nachrichtenstab getan?«
»Tut mir leid, Sadie, ich muss ihn verloren haben. Was stand denn darauf?«
»Nicht sagen, nur lesen. Narr, du hast verloren! Deine Frau kranke Lady, ja?«
»Sie ist nicht krank, sie macht nur Urlaub in Perth.«
Sadie starrte ihn an. »Sie schon lange krank. Gib ihr noch Baby. Macht sie besser.«
»Gut, das werde ich machen«, sagte Clem, um sie zu beschwichtigen. Ein neues Baby war
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