Leuchtendes Land
Tages, an dem sie hübscher als je zuvor in ihrem Leben ausgesehen hatte.
»Na ja«, seufzte sie, »es lässt sich nicht ändern. Wenn das Baby erst mal da ist, wird alles anders werden.« Sie wollte Ted zwingen, die Farm zu verkaufen, zu welchem Preis auch immer. Es reichte ohnehin nur gerade zum Überleben.
Sie wollte in eine Stadt ziehen, in der sie eine Stelle finden und arbeiten konnte, während er mit den Schafen auf Trieb ging. »Hier arbeite ich umsonst«, dachte Lil. »Wenn ich eine Stelle hätte, könnte ich Geld sparen, damit wir uns ein neues Haus leisten können. Er wird verkaufen, egal wie lange ich ihm damit auf die Nerven gehen muss.«
Während die Sonne übers Haus zog, reiste Lil in ihr zukünftiges Traumhaus. Sie sah sich mit dem Baby in der Tür eines gepflegten Cottages stehen, das tief in den herrlichen Gummibaumwäldern lag. In einem anderen Tagtraum plauderte sie über den Zaun hinweg mit ihren Nachbarn, die wie sie eines der Doppelhäuser in der Stadtmitte von Perth bewohnten. Oder sie träumte sich in ein weißes Cottage aus Stein, das hoch oben auf einem Hügel lag und den Blick auf den Indischen Ozean freigab, in dem die Wale spielten und der von einer so wilden Schönheit war. Das Baby begleitete sie auf diesen Traumreisen, doch Ted war nicht dabei. Er hatte sich noch keinen Platz in ihrem geheimen Leben verdient.
Der Bau des Stausees machte Fortschritte, die Grube wurde unter dem wachsamen Blick des selbsternannten Vorarbeiters Charlie Postle mit jedem Tag tiefer und breiter. Er ritt alle paar Tage hinüber, um die Arbeiten zu prüfen.
»Jungs«, sagte er zu seinen Söhnen und Clem, »ihr habt ja keine Ahnung, wie man einen Stausee anlegt. Ebenso wenig wie die beiden Knastbrüder, die für dich arbeiten, Clem. Ich hab’ mein ganzes Leben lang Stauseen gegraben. Ich zeig’ euch, wie’s geht.«
Er bestand auch darauf, dass die vier Männer unter der Woche auf der Baustelle ihr Lager aufschlugen. »Du musst die Männer bei der Arbeit halten, Clem! Es geht nicht an, dass sie die Hälfte des Tages damit verbringen, hierher und wieder nach Hause zu reiten. Zeit ist Geld, und wenn der Regen spät kommt, habt ihr eine Chance, vorher mit dem Ding fertig zu werden. Ihr müßt die Wände verstärken, solange das Wetter noch mitspielt. Denkt dran, die Arbeit geht schneller voran, wenn der Boss in der Nähe ist.«
»Es geht nicht, Charlie, ich habe noch andere Dinge zu erledigen«, erwiderte Clem.
»Ja, hab’ gehört, du kaufst Schafe fürs Schlachthaus und treibst sie in der Gegend rum. Was ist in dich gefahren, Junge?«
Clem brachte ein paar vage Ausreden vor, da er für Postles Hilfe zwar dankbar war, sich ihm deswegen aber noch lange nicht anvertrauen wollte. Nachdem er die Schafe auf das Land der Cartys getrieben hatte, hatte er sich einige Tage in der Nähe des Hauses aufgehalten, da er sich um Thora sorgte. Sie schien Schmerzen zu leiden und verbrachte die meiste Zeit im Bett.
»Ich glaube, es ist bald so weit«, erfuhr er von Alice. »Das Kind hat sich gesenkt.«
»Das ist aber noch zu früh.«
»Babys können auch mal früher kommen. Du solltest mit ihr reden. Auf mich will sie nicht hören.«
Er setzte sich zu Thora. »Soll ich in die Stadt reiten und nachsehen, ob dein Vater zurück ist?«
»Nein!«, wehrte sie sich mit heiserer, müder Stimme. »Ich will ihn nicht hier haben. Alice muss es dir doch gesagt haben. Ich will ihn nicht in meiner Nähe haben!«
»Schon gut. Reg dich nicht auf. Ich werde Mrs. Dodds, die Hebamme, holen. Du kannst dich doch noch an die Frau des Pastors von St. Luke’s erinnern? Es heißt, sie mache ihre Arbeit sehr ordentlich.«
»Ich will sie nicht sehen. Es ist noch zu früh.«
»Es könnte aber früher kommen, Thora.«
Sie brach in Tränen aus. »Nein. Es ist noch nicht so weit. Die Leute werden reden. Sie darf nicht herkommen.«
Alice wartete draußen vor der Tür. »Ich habe es dir ja gesagt. Sie hat sich die alberne Idee in den Kopf gesetzt, das Kind müsse so spät wie möglich nach der Hochzeit geboren werden. Ich verstehe allerdings nicht, welchen Unterschied das noch machen sollte.«
»Glaubst du, ich soll die Hebamme rufen?«
»Ja, ich würde mich besser fühlen, selbst wenn es sich um einen falschen Alarm handelt.«
»Ich möchte sie nicht umsonst herbringen. Steht die Geburt nun bevor oder nicht?«
»Ich glaube schon.«
»Gut, ich werde sie holen.«
Als Lil Cornish an diesem Morgen aufwachte, hatte sie keine
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