Leuchtendes Land
riesigen gemauerten Kamin hatte, über dem einige verrußte Kochtöpfe hingen. Zu beiden Seiten des Kamins gab es tiefe Schränke, in denen jedoch nur Essensreste, alte Kleidung und Wäsche aufbewahrt wurden. Lil fand einige Bücher und eine Dartscheibe, die den früheren Bewohnern gehört hatten. Zum Glück stieß sie draußen im Waschhaus auf einen Eimer, Seife und einen abgenutzten Besen.
»Das muss reichen«, sagte sie entschlossen und fing an, die Spinnweben zu entfernen. Sie kochte die Kessel aus, um anschließend die Schmiere aus den Töpfen zu entfernen, und reinigte den offenen Kamin. Dann schrubbte sie das Haus von oben bis unten. Die Arbeit gab ihr wieder neuen Mut, und noch Jahre später verlegte sie sich aufs Saubermachen, wenn sie wütend war, schuftete, bis ihr jeder Muskel weh tat, und reagierte sich auf diese Weise ab.
Als Ted spät am Abend nach Hause kam, teilte sie ihm in unmissverständlicher Weise mit, dass sie am nächsten Tag nach York fahren und eine ordentliche Matratze, etwas Wäsche und einige andere notwendige Dinge fürs Haus bestellen würde. Er könne in der Zwischenzeit den Hof aufräumen.
»Das ging aber schnell«, bemerkte er, als sie am Nachmittag heimkehrte.
»Ich hänge nicht in den Pubs herum«, erwiderte sie, während sie das Pferd absattelte. »Du hast nicht gerade viel geschafft. Das Unkraut auf dem Hof ist noch nicht gejätet. Ich möchte, dass er vernünftig gesäubert wird, denn hier wird ein Hühnerhof angelegt.«
»Wer sagt das?«
»Ich sage das.«
Lil rutschte auf ihrem Stuhl herum, weil der dicke Bauch sie störte. Sie hatte der Hebamme gesagt, voraussichtlich wäre es Ende dieses Monats so weit, doch sie fürchtete, das Kind werde früher kommen. Wenn Ted nach Hause kam, würde sie ihn nach St. Luke’s schicken, um der Frau des dortigen Pfarrers Bescheid zu sagen. Sie galt als ausgezeichnete Hebamme.
»Der faule Mistkerl«, stöhnte sie beim Gedanken an ihren Ehemann. Er arbeitete nur auf dem Feld, wenn sie ihn dazu zwang und dablieb, um ihn anzutreiben. Die Farm brachte nicht viel ein, doch ein bisschen war besser als gar nichts. Als Gegenleistung erwartete er, dass sie alle sogenannten Hausarbeiten übernahm – die Aufzucht der Küken, das Melken, das Kochen und die anderen Aufgaben, die einer Farmersfrau zukamen. Das Leben mit Ted war ein ständiger Kampf, vor allem seitdem er wusste, dass sie ein Kind erwartete. Diese Nachricht hatte zu einer neuen Auseinandersetzung geführt. Ihre Mutter hatte gesagt, sie könne jederzeit zu ihnen zurückkehren, doch ihr Stolz zwang sie, auf der einsamen Farm zu bleiben. Lil wollte um keinen Preis eingestehen, dass sie einen Fehler begangen hatte, und betrachtete die Farm überdies als ihr neues Zuhause. Wenn Ted mit den Schafen unterwegs war, gefiel ihr das Leben auf der Farm sogar recht gut, und seine Arbeit brachte zusätzliches und dringend benötigtes Geld in die Kasse.
Lil hing gerne den Erinnerungen an ihren Hochzeitstag nach. Sie hatte im Haus einer Freundin vor dem Spiegel gestanden und zugeschaut, wie zwei Frauen sie von einer Viehtreiberin mit ausgebeulten Hosen und einem alten Hemd in eine hübsche junge Dame verwandelt hatten. Es war wie ein Wunder gewesen! Sie hatten ihr braunes Haar, das sie gewöhnlich zu Zöpfen geflochten trug, gewaschen und so lange gebürstet, bis es geglänzt hatte und in natürlichen Wellen über ihre Schultern gefallen war. Ihre Freundin Mrs. Barell hatte Lil ein zartes weißes Musselinkleid mit einem Spitzenoberteil und drei satinbesetzten Röcken genäht. Das Tüpfelchen auf dem i war ein wunderschöner Strohhut gewesen. Er war passend zum Brautstrauß mit Wildblumen geschmückt gewesen.
»Sie ist so schön!«, hatte Mrs. Barell staunend erklärt. »Klare Haut, ebenmäßige Züge und kornblumenblaue Augen. Viele Mädchen würden alles dafür geben, so auszusehen wie Lil.«
»Sie ist zu gut für ihn«, hatte Bonnie Roper gemurmelt, doch Lil hatte es geflissentlich überhört. Sie war viel zu aufgeregt gewesen.
Auch Ted hatte einen beachtlichen Bräutigam abgegeben. Alle hatten das gesagt. Sein Bart war ordentlich gestutzt gewesen, und sein widerspenstiges Haar hatte glatt am Kopf angelegen. In dem geliehenen schwarzen Anzug, dem gestreiften Hemd und der Fliege hatte er wirklich elegant ausgesehen.
Zu Lils großer Enttäuschung war der bestellte Fotograf nicht aufgetaucht, so dass niemand ein Erinnerungsfoto der jungen Eheleute hatte aufnehmen können. Ein Foto jenes
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