Leuchtfeuer Der Liebe
die Hure eines reichen Mannes gewesen war.
„Jesse." Sie blickte mit glänzenden Augen zu ihm auf. „Danke, dass Sie mich mitgenommen haben."
Mit langen Schritten ging er neben ihr her. „Nichts zu danken", brummelte er mürrisch. Er sträubte sich gegen das Vergnügen und fragte sich, wieso er sich von ihr hatte überreden lassen, das Fest zu besuchen.
„Es wird Ihnen gefallen, Sie werden sehen." Unterdessen pflügte Mrs. Swann durch die Menge, ihre weiten Röcke hinterließen eine breite Schneise.
Das Gebilde auf ihrem Kopf war ein Wunder der Hutmacherkunst. Auf dem breiten Rand des Strohhuts wippte ein Meer aus roten, weißen und blauen Nelken, in dessen Mitte ein Fähnchen in den Nationalfarben prangte.
„Da seid ihr ja!" rief Hestia Swann und winkte mit einem blauen Sonnenschirm.
Die Musik machte eine Pause, ein Mann mit Spitzbart und Zylinder kletterte auf das Podium, hielt sich einen Blechtrichter an den Mund, begrüßte die Festgäste mit lauter Stimme und wünschte allen viel Vergnügen zur Feier des hundertjährigen Unabhängigkeitstages. Applaus und Jubel brandeten auf.
Mrs. Swann breitete die Arme aus, der blaue Sonnenschirm baumelte an ihrem Handgelenk. „Nun sieh nur einer an, Mary Dare! Sie sehen ganz entzückend aus."
„Das habe ich allein nur Ihnen und Doktor MacEwan zu verdanken."
„Papperlapapp. Wir haben die rosige Farbe nicht auf Ihre Wangen gezaubert." Sie blickte verstohlen unter ihrem überladenen Hutgebilde hervor und blinzelte Jesse zu. „Ich könnte mir denken, wer dafür verantwortlich ist."
„Sie wenden sich an die falsche Adresse", wehrte Jesse ab. „Marys Genesung hat nichts mit mir zu tun."
„Oh doch." Mrs. Swann nestelte ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und betupfte sich die Augen. „Es ist so romantisch, dass ich ganz rührselig werde. Sie haben dieser jungen Frau das Leben gerettet, Jesse Morgan."
Mary drückte seine Hand. „Ja, das stimmt, ob Ihnen das passt oder nicht."
Sie ahnte, dass Jesse sie im Stillen verfluchte, weil er sich auf den Ausflug eingelassen hatte.
„Ach, wie reizend!" rief Mrs. Swann. „Reverend und Mrs. Hapgood und ihr niedlicher kleiner Sohn", stellte sie das Ehepaar vor, das Mary verlegen die Hand schüttelte. Der strohblonde, etwa vierjährige Junge hatte rote Apfelbäckchen und Abenteuerlust im Blick, ein richtiger kleiner Racker.
Nachdem man höflich einige Sätze gewechselt hatte, entfernten sich die Hapgoods und begrüßten andere Bekannte. Hestia betupfte sich wieder die Augen. „Sie sind so reizende Leute und ganz vernarrt in ihren Sohn."
„Er ist entzückend", sagte Mary.
„Sie vergöttern das Kind." Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. „Die Ärmste hat ihr erstes Baby verloren, müssen Sie wissen."
Marys Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus. „Das tut mir Leid."
„Wir sollten weitergehen", meldete Jesse sich barsch zu Wort.
„Was ist passiert?" fragte Mary neugierig. „Wie ist das Kind gestorben?"
„Der Kleine ist nicht gestorben", antwortete Hestia mit Grabesstimme, „das ist ja das Tragische. Der Knabe wurde ..."
„ Es reicht, Mrs. Swann ", wies Jesse sie streng zurecht.
Sie fächelte sich nervös mit dem Taschentuch Luft zu. „Du liebe Güte. Wie unverzeihlich taktlos von mir", sagte sie zerknirscht und tief errötend. „Es ist gar nicht meine Art, zu klatschen. Können Sie mir verzeihen?"
Mary fand Hestia Swann irgendwie rührend und spürte, dass sie eine sehr einsame Frau war.
„Wie geht es Ihnen?" fragte Fiona MacEwan, die sich zu ihnen gesellte auf dem Weg zu den rot kariert gedeckten Tischen.
„Ausgezeichnet, danke der Nachfrage. Manchmal ermüde ich rasch ..."
„Sie ist wieder hergestellt", mischte Jesse sich ein. „Es geht ihr gut genug, um auszuziehen."
„Oh, sehen Sie nur!" unterbrach Mary ihn, ehe er den Gedanken vertiefen konnte. „Die schönen Austern." Sie eilte an den Tisch. „Die Austern in der Shoalwater Bay sollen die besten auf der ganzen Welt sein."
Sie bewunderte das reiche Angebot. Auf der anderen Seite des Tisches öffneten zwei Männer in langen Schürzen die blättrigen Schalen der Muscheln und legten sie neben Zitronenvierteln auf ein Bett aus gestoßenem Eis in große flache Schalen.
„Sie sagten doch vorhin, Sie mögen das glibberige Zeug nicht", stellte Jesse fest.
„Ich sagte nur, früher mochte ich keine Austern", korrigierte sie ihn und schenkte dem Mann hinter dem Tisch ein reizendes Lächeln. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Mrs.
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