Leuchtfeuer Der Liebe
zu Beginn unserer Bekanntschaft gesagt, dass ich nichts mit dem Vater meines Kindes zu tun haben will. Ich sagte Ihnen, dass ich einen Fehler gemacht habe, den schlimmsten Fehler, den man begehen kann."
Jesse lehnte sich gegen den Stamm der Trauerweide und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie spürte förmlich, wie er eine Mauer zwischen ihnen errichtete. Genau wie letzte Nacht in der Laube. Als er gespürt hatte, wie das Baby sich in ihr bewegte, hatte er sich zurückgezogen.
„Ich habe Angst, dass er mich findet. Er ist sehr mächtig und unerbittlich."
„Warum haben Sie sich mit einem solchen Kerl eingelassen?" fragte Jesse.
„Er konnte sehr charmant sein." Mary wich seinem Blick aus. „Ich war bettelarm, als ich in San Francisco ankam. Mein Lohn als Schiffsköchin war rasch aufgebraucht. Eine mittellose Irin hat nicht viele Chancen. Eine junge Frau, die alles, was ihr lieb war im Leben, verloren hatte. Ich versuchte, eine Stellung als Hausmädchen oder Kellnerin zu finden, aber niemand wollte mich nehmen. Dann lernte ich Mr. Jones kennen. Er war sehr aufmerksam und gut zu mir." Sie krallte die Finger in die Falten ihres Kleides. „Er besorgte mir eine Wohnung, brachte mir Blumen und Süßigkeiten." Sie schloss die Augen in der Erinnerung an die langen Nächte, in denen sie sich in sinnliche Vergnügungen geflüchtet hatte, wohl wissend um die Sünde, sich einem Mann aus den falschen Gründen hinzugeben. Aber die Nähe und Geborgenheit eines Menschen war ihr so wichtig gewesen wie die Luft zum Atmen.
Das war wohl das Schlimmste an der ganzen Situation. Im Schmerz über den Verlust ihrer Familie hatte sie sich auf eine sündige Beziehung eingelassen und sich eingeredet, dieser Mann würde sie lieben. Das alles nur, um ihrer grenzenlosen Einsamkeit zu entfliehen.
Sie hätte wissen müssen, dass sie dafür bezahlen musste.
Jesse stand schweigend gegen den Baumstamm gelehnt, halb verborgen von den tief hängenden Zweigen der Trauerweide. Irgendwie fiel ihr dadurch das Sprechen leichter, ähnlich wie in einem Beichtstuhl, wo der Priester hinter einem Holzgitter nur schemenhaft zu erkennen war.
„Ich wusste nicht, dass er verheiratet war", fuhr sie fort. „Das sagte er mir erst, als es zu spät war. Als ich ihm eröffnete, dass ich ein Kind von ihm erwarte, war er selig vor Glück. Ich dachte, er würde mich heiraten und dem Kind seinen Namen geben." Versonnen blickte sie durch die Weidenzweige in das flirrende Licht des Morgens. „Er aber wollte nur das Baby." Sie holte tief und stockend Atem. „Mich wollte er nicht."
Jesse bewegte sich nicht. Mary wischte sich die Tränen der Scham von den Wangen. „Er hat mich nur dazu benutzt, um mir das Kind nach der Geburt wegzunehmen, wenn es ein Sohn wird. Deshalb habe ich mich eines Nachts heimlich fortgeschlichen."
Sie fühlte sich ausgelaugt und erschöpft nach diesem Geständnis und legte die Hände Halt suchend an die raue Baumrinde. Sie wünschte, Jesse würde irgendetwas sagen, irgendetwas tun. Sie wünschte, er würde sie berühren. Doch er stand reglos und schweigend an den Baum gelehnt, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Nur die Blätter säuselten im Morgenwind.
„Vorhin in der Hotelhalle unter all den Leuten wurde mir klar, dass ich immer noch in Gefahr bin. Und dann erfuhr ich auch noch, dass Sie mein Bild in der Zeitung veröffentlichen ließen. Die Geschichte von Mrs. Hapgood, der man ihr erstes Kind weggenommen hat, macht mir Angst, Jesse. Ich bin ein Niemand. Ich habe nichts. Mir könnte das Gleiche passieren. Was ist, wenn der Mann mein Bild gesehen hat?"
Es blieb gespenstisch still, nur der Wind fächelte in den Blättern. Und dann sprach Jesse endlich. „Er hat Ihnen gesagt, er heiße Jones?"
„Halten Sie den Namen für falsch?"
Er schnaufte verächtlich, stieß sich vom Baum ab und ging. Mary schaute ihm fassungslos nach. Er war ein harter Mann, das wusste sie. Mehr als ein Mal hatte sie seine kalte Bitterkeit zu spüren bekommen. Aber ein Wort des Verständnisses hätte sie wenigstens erwartet.
Er warf nicht einmal einen Blick über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, ob sie ihm folgte. „Ich begreife Ihr Verhalten nicht, Jesse Morgan", schimpfte sie. „Weil Sie sich eingemischt haben, bin ich in Gefahr, und jetzt lassen Sie mich einfach stehen. Was fällt Ihnen eigentlich ein?"
Im Hof vor den Stallungen wartete Mrs. Hestia Swann auf ihre Kutsche. Mary war zu aufgebracht, um sich darum zu kümmern, was der
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