Leuchtfeuer Der Liebe
großen Haus, das Sherman für uns bauen ließ. Die meisten Räume betrete ich nicht mehr, weil mir das Herz bricht, sie verlassen zu sehen."
Hestia Swann und Jesse Morgan trugen in gewisser Weise ein ähnliches Schicksal. Beide hatten alles verloren, was ihnen lieb gewesen war, und konnten ihren Verlust nicht überwinden.
„Wie dumm von mir", schluchzte Mrs. Swann, „ich verderbe Ihnen Ihre Freude an diesem glücklichen Tag mit meinen Tränen. “
„Machen Sie sich darüber nur keine Sorgen", beschwichtigte Mary sie. „Meine Mama hat immer gesagt, jede Träne, die man weint, stillt den Durst eines Engels." Sie spürte Jesses Blick auf sich und zuckte errötend die Schultern. Sicher ärgerte er sich über Hestias Gefühlsausbruch, doch zu Marys Erstaunen wirkte er beinahe gerührt.
Um Hestia abzulenken, nahm Mary ihre Hand und flüsterte ihr zu: „Wer ist die Frau, die gerade gekommen ist?"
Hestia Swann schniefte und blinzelte die Tränen fort. „Melissa Clune. Ihr Mann arbeitete als Zimmermann auf Shermans Schiff und ist auch bei dem Unglück ums Leben gekommen. Wir haben beide unsere Ehemänner verloren. Die Heuer eines Zimmermanns war gering, und Melissa muss nun ihre fünf kleinen Kinder allein durchbringen."
Mrs. Clune zog den geflickten Schal enger um ihre knochigen Schultern und trat auf Jesse zu. „Ich wünsche Ihnen viel Glück, Captain", sagte sie. „Und ich will Ihnen danken für alles, was Sie für mich getan haben."
„Alles, was er für sie getan hat?" flüsterte Mary.
„Er bezahlt ihre Miete und auch etwas für ihre Kinder."
„Jesse?"
„Ja. Er will nicht, dass man darüber redet. Aber Sie wissen ja, wie die Leute sind. Ihr lieber Ehemann hat ein weiches Herz unter seiner rauen Schale", erklärte Mrs. Swann.
Jesse blickte die junge Witwe finster an. Feine Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. „Nicht der Rede wert, Mrs. Clune. Es ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann, und entschädigt Sie nicht für Ihren Verlust."
„Ich komme auch, um mich zu verabschieden", sagte sie. „Ich kann keine weitere Unterstützung von Ihnen annehmen, besonders jetzt nicht mehr, da Sie eine eigene Familie zu ernähren haben."
„Aber ich tue es gern ..."
Sie hob ihre bleiche, abgearbeitete Hand. „Nein, das kann ich nicht annehmen. Ich muss sehen, wie ich allein zurechtkomme." Sie legte ihr Hochzeitsgeschenk - ein kleines gehäkeltes Bündel - auf den Tisch. „Leben Sie wohl, Captain. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Braut alles erdenklich Gute."
„Warten Sie", rief Mary ihr zu, stand auf, zog Hestia Swann an der Hand mit sich und winkte alle auf die Veranda. „Mrs. Swann, wie viele Zimmer stehen in Ihrem Haus leer?"
Hestia machte ein verdutztes Gesicht. Und dann begannen ihre rot geweinten Augen zu leuchten. „Aber ja, mehr als genug." Sie ließ den Blick über die Kinderschar gleiten. „Mehr als genug."
Später stand Mary neben Jesse auf der Veranda und winkte den Gästen nach, die sich auf den Heimweg gemacht hatten. In dieser Nacht hatte Erik Wache auf dem Leuchtturm, und Mary durchrieselte ein prickelnder Schauer beim Gedanken an ihre erste Nacht mit ihrem Ehemann.
Sie lehnte den Kopf an Jesses breite Schulter. „Ich danke dir für diesen Tag."
„Wieso dankst du mir?"
„Weil du mich heute glücklich gemacht hast."
„Rede keinen Unsinn." Er wich so brüsk zurück, dass Mary beinahe den Halt verlor, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und ging ans Ende der Veranda. „Hör zu, bilde dir nicht etwas ein, was es nicht gibt. Nur weil wir geheiratet haben, verändert sich die Welt nicht."
Ein Frösteln lief ihr über den Rücken. Hatte Jesse sie nur aus Mitleid geheiratet, so wie er Mrs. Clune aus Mitleid unterstützte? Nein. Hastig verdrängte sie den Gedanken.
Sie blickte ihn unverwandt an, scheute sich nicht, ihm ihre Gefühle zu zeigen. „Du hast meine Welt verändert, Jesse. Ich liebe..."
„Verdammt noch mal." Seine Faust fuhr gewaltig auf das Geländer nieder, und Mary spürte die Erschütterung unter ihren Händen. „Hör auf damit, Mary. Mach kein Melodram daraus mit deiner Gefühlsduselei."
„Aber es gibt Menschen, die ihren Kummer überwinden und wieder Freude am Leben finden. Schau dir Mrs. Swann an und Mrs. Clune ..."
„Na und? Du hast es geschafft, dass sie alle demnächst unter einem Dach leben", entgegnete er ungerührt. „Aber damit ist den Kindern nicht geholfen, wenn sie nachts aufwachen und um ihren Vater weinen. Damit ist auch Hestia nicht
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