Leute, das Leben ist wild
Schulter und meint: »Krass.«
»Das kannst du laut sagen. Der hat einfach seine Sachen gepackt und sich nicht mal von mir verabschiedet. Einfach weg.«
Johannes schnallt, glaube ich, gar nicht richtig, was ich da sage. Ich schnalle es ja auch nicht. Wir schütteln nur hilflos unsere Köpfe und verschwinden rüber in mein leer geräumtes Zimmer, wo Alice und Susanna noch immer hungrig um das Büffet herumstreunen. Als Alice Johannes entdeckt, bekommt sie plötzlich so eine seltsame Mickey-Mouse-Stimme: »Hey! Bist du nicht der Keyboarder?«
»Genau der bin ich.«
Johannes nickt ihr zu, dann Susanna, und bläst dabei so leicht gestresst die Luft aus. Alice ignoriert seine Anspannung und stellt sich sofort neben ihn, als er sich eilig hinter meinem Schreibtisch verschanzt, wo ich mit Helmuths Hilfe am Nachmittag die Anlage aufgebaut und verkabelt habe. Geschäftig und hochkonzentriert drückt Johannes ein paar Knöpfe, stöpselt seine Kopfhörer ein, und Alice quasselt munter weiter: »Du hast dich nie bei mir gemeldet. Obwohl du das versprochen hattest.«
»Ja, da hast du wohl recht.« Johannes lächelt gequält und fängt an, seine Platten aus dem mitgebrachten Rollkoffer zu packen und in den von mir bereitgestellten Karton zu sortieren.
Alice gibt nicht auf. So leicht lässt sie sich nicht abschütteln. »Und warum nicht?«
Das ist genau die Frage, die richtig cool rüberkommt. Vor allen Dingen, nachdem sich die beiden seit ungefähr einem Jahr nicht mehr gesehen haben. Alice schießt sich gerade selbst so was von ins Aus. Die sollte sich lieber
ein bisschen geheimnisvoller präsentieren - kein Wunder, dass die fast noch nie einen Freund hatte. Susanna fängt nun auch noch an, ungefragt in Johannes’ Plattenstapel herumzufingern und die Reihenfolge durcheinanderzubringen. Da muss Johannes jetzt durch, schließlich ist er Profi. Ich lasse die drei mal alleine und gehe endlich duschen. Hauptsache, Alice und Susanna halten nachher vor Arthur ihre Klappe und kommen nicht auf den Trichter, sich mit dem Wissen um meine geheime Liebe brüsten zu müssen. Ich sehe die Szenerie direkt vor mir, wie sich die beiden Girls wichtigtuerisch vor ihm aufbauen und meinen: »Wusstest du eigentlich, dass der DJ der Typ ist, mit dem Lelle mal was hatte, als du in Afrika warst?«
Arthur würde sich in dem Fall natürlich nichts anmerken lassen, aber er wüsste mal wieder, dass ich irgendwie gefühlsmäßig bereit bin, über Leichen zu gehen und ihn bloßzustellen. Nicht sehr nett. Gar nicht nett. Am besten, ich erkläre ihm gleich, dass Johannes da ist. Ganz klar und klassisch. Als guter Freund, der sich um die musische Untermalung kümmert. Was ist schon dabei? Sobald ich geduscht habe, gehe ich schnell zu ihm rüber. Bevor er zu uns rüberkommt. Alles klar? Ich werfe Johannes einen entschuldigenden Blick zu und verschwinde in den Flur. Ich höre Alina durch die Badezimmertür brüllen: »Lass mich endlich in Ruhe! Ich will nicht mit dir sprechen. Und ich komme auch nie wieder nach Hause.«
Arme Alina, die wird echt keine Sekunde in Ruhe gelassen. Das ist jetzt wohl wieder ihre Mutter. Mich würde es wirklich nicht wundern, wenn all diese Menschen es schaffen, Alina in den Tod zu treiben. Ich meine, sie hat es heute Morgen ja bereits angekündigt. »Ich bringe mich um!« Zwischendrin sah es allerdings wieder ganz rosig mit
ihr aus, weil die Probleme sich kurzzeitig mal ganz auf meine Familie konzentriert haben, sodass Alina merken konnte, dass niemand es so richtig leicht im Leben hat. Doch jetzt kriegt sie schon wieder die volle Dröhnung. Keine Ahnung, warum sie ihr Handy nicht einfach zwischen den Sofapolstern hat stecken lassen.
Ich gehe näher an die Toilettentür und klopfe vorsichtig an. Mama und Samuel sind interessanterweise verschwunden. Im Wohnzimmer sind sie nicht zu sehen und im Garten halten sie sich offensichtlich auch nicht auf. Vielleicht sind sie in der Küche? Hinter der Badezimmertür brüllt Alina weiter rum: »Warum hast du mich damals nicht einfach abgetrieben, dann hättest du jetzt keine Scheiß-Tochter, die sich gegen dich auflehnt.«
Als Nächstes höre ich, wie Alina irgendetwas auf die Fliesen schleudert. Ich nehme mal stark an, das war wieder ihr Handy. Sie neigt ja dazu, wie wir wissen, das während besonders emotionaler Telefonate von sich wegzuschleudern. Ich klopfe noch mal. »Alina?«
Anstatt zu antworten, heult sie laut los. Ich hoffe, das hört bald wieder auf, schließlich rechne ich
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