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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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das denn heißen? Muss ich dir Nachhilfe in Sexualkunde geben oder was? Noch nie was von den Blümchen und den Bienchen gehört?«
    Helmuth wedelt hilflos mit seinem Schläger in der Luft rum und meint: »Ich dachte, du nimmst die Pille.«
    »Nehme ich ja auch. Kann ich doch nichts dafür, dass die gegen dein Sperma nicht ankommt.«
    Helmuth macht so eine beschwichtigende Bewegung mit den Händen und sieht sich nach möglichen Zuhörern um.
    Doch das bringt meine Schwester erst recht in Rage. »Hast du Schiss, dass uns die Vögelein zuhören? Die alte Schachtel ist eh schon über alle Berge.«
    Helmuth atmet tief ein und aus und versucht, meiner Schwester beruhigend über die Schulter zu streichen. »Herzchen, das war eine meiner Tennisschülerinnen, und es wäre nett …«

    »Ja …?«
    »Ich meine ja nur …«
    »Ja …?«
    Meine Schwester wippt ungeduldig mit meinem Sneaker rauf und runter. »Ich höre?«
    »Ich dachte ja nur, wir lassen uns mit dem Nachwuchs noch ein bisschen Zeit, bis wir beiden uns aneinander gewöhnt und uns im Alltag eingerichtet haben. Wie du weißt, habe ich schon zwei erwachsene Söhne. Das heißt, ich hatte es jetzt eigentlich nicht so eilig und …«
    »Dachtest du etwa, ich habe es eilig?«
    Meine Schwester stampft kräftig mit dem Fuß auf, und ich weiß nicht, ob das irgendwie schädlich fürs Ungeborene ist. Jetzt kommt Cotsch richtig in Fahrt. Das kennen wir schon von ihr. Das geht bei ihr ratzfatz. Besonders in Helmuths Gegenwart wird sie blindwütig. Es ist schon erstaunlich, wie schnell er es hinkriegt, sie mit seiner etwas tumben Art derart zügig auf hundertachtzig zu fahren. Das schafft sonst nur Mama mit ihrer ewig sorgenvollen Miene und ihren ständigen Zweifeln.
    Meine Schwester schimpft: »Mein lieber Helmuth! Im Gegensatz zu dir bin ich noch nicht mal mit der Schule fertig. Und wie du weißt, wollte ich mein Abitur mit Auszeichnung und Karriere in der Wirtschaft machen. Mein Studium wollte ich mir mit Modeljobs finanzieren, wenn nicht sogar meine erste Million scheffeln. Das kann ich ja jetzt wohl vergessen. Beziehungsweise kann ich mich gleich umbringen. Mein Leben ist gelaufen. Hast du dir das schon mal überlegt? Ich habe keinen Bock, für ein anderes Lebewesen rund um die Uhr da zu sein!«
    Helmuth zieht die Luft durch die Zähne ein und verschwindet,
ohne zu antworten, in Richtung Bank, wo seine riesige Sporttasche mit noch mehr High-End-Tennisschlägern steht. Da tupft er sich mit einem weißen Frotteehandtuch die Stirn ab und setzt sich erschöpft hin.
    Meine Schwester läuft ihm hinterher und ruft: »Oder willst du es abtreiben lassen? Soll ich mein Kind abtreiben lassen? Ist es das, was du mir sagen willst? Soll ich unser Kind töten? Ich bin Christin, okay?«
    Helmuth schlägt die Hände vors Gesicht und schüttelt den Kopf. Ganz langsam. So als hätte er furchtbare Kopfschmerzen. Arthur und ich hocken im Gebüsch, eng aneinandergelehnt, und atmen unterdrückt ein und aus. Wir sehen uns aus den Augenwinkeln an und wissen nicht so recht, was wir machen sollen. Ob wir uns rückwärts im Entengang wegbewegen sollen, bevor wir entdeckt werden, oder ob wir lieber in unserem nicht ganz ausgefeilten Versteck bleiben sollten, um den Rest des Streitgesprächs auch noch mitzubekommen.
    Ich flüstere: »Was sollen wir machen?«
    Arthur zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vorsichtig wegkriechen und hoffen, dass uns keiner bemerkt?«
    Ich nicke. »Ja, ich glaube, das wäre besser. Geht uns ja auch nichts an, worüber die sprechen …«
    Wobei es mich natürlich brennend interessiert. Auf allen vieren robben wir durch das dichte, knackende Ge äst und ich bleibe mit meinen Haaren in den trockenen Zweigen hängen. Ich werde ein bisschen panisch, weil die Stimmen meiner Schwester und Helmuth wieder näher kommen. Sollte Cotsch uns hier entdecken, würde sie vermutlich kurzfristig vergessen, dass sie Christin
ist. Ich reiße an meinen Haaren herum, bis der dünne Zweig abbricht, und Arthur drängt von hinten, dass ich weiterkrabble. Wir hören, wie Helmuth fragt: »Ja, welche Woche ist es denn?«
    »Keine Ahnung. Die vierte oder sechste oder siebte? Wer weiß das schon so genau.«
    Arthur und ich drücken uns zur Seite weg, an den höheren Sträuchern vorbei in Richtung Sportplatz. Wir rennen los. Durch die mit Sand gefüllte Weitsprungkiste. Über die matschige Wiese, Richtung Entenweiher. Dahinter steht die weiße Villa, in der Rita mit ihren Töchtern Alice und Susanna

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