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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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residiert. Der neu angebaute Wintergarten, den Rita von Alices Konzerthonoraren errichtet hat, erstrahlt in vollem Glanze. Als Arthur und ich sicher sind, dass wir nicht mehr von Cotsch und Helmuth entdeckt werden können, verlangsamen wir unseren Lauf und halten schließlich am umgekippten Baumstamm an. Seit ich denken kann, liegt der hier. Früher haben Cotsch und ich uns da im Winter immer draufgepflanzt und unsere Schlittschuhe angezogen, sobald der Weiher zugefroren war. Damals hat definitiv keine von uns damit gerechnet, dass Cotsch eine derart junge Mutter wird. Der Gedanke wird für mich sowieso immer beängstigender. Weil Arthur und ich beide starke Raucher sind, müssen wir uns erst mal vom schnellen Rennen erholen. Beim Atmen sticht es ziemlich in der Brust und Arthur muss sogar husten. Ich beuge mich vor, dann strecke ich mich.
    »Ich brenne!«
    Arthur hustet. »Was meinst du, wie es mir geht? Wir sollten echt mit dem Rauchen aufhören, hinterher kriegen wir so eine schwarze, geteerte Lunge.«

    Ich nicke. »Ja, das sollten wir unbedingt versuchen.«
    Wir holen unsere Zigarettenpäckchen aus den Jackentaschen hervor und zünden uns trotzdem gleich eine neue Zigarette an. Jetzt ist definitiv der falsche Augenblick, mit dem Rauchen aufzuhören. Viel zu viel Stress. Aber irgendwie schmecken uns die Dinger nicht. Wir ziehen ein paarmal dran und werfen sie dann hinter den umgekippten Baum ins vergilbte Gras.
    Ich sage: »Wir sollten echt dringend damit aufhören, bevor es zu spät ist.«
    Arthur nickt und dann setzen wir uns auf den umgefallenen Stamm und gucken rüber zum mit grüner Entengrütze überzogenen Weiher und zu der weißen Villa mit den rund geschnittenen Buchsbäumen auf der Veranda. Rita tut echt so, als wären wir hier in Beverly Hills oder so. Ich meine, hier in unserer Gegend interessiert es keinen, ob sie auf mondäne Star-Villa macht. Im Übrigen läuft Rita in den letzten Lumpen rum. Euch kann ich es ja sagen: Bei dem letzten von ihr veranstalteten Hauskonzert ist rausgekommen, dass sie sich heimlich aus dem Altkleidercontainer, der neben der Bushaltestelle steht, Klamotten rausfischt, die die Nachbarsfrauen für die Obdachlosen reingeworfen haben. Rita will Geld sparen, wo es geht. Einmal hat sie sogar versucht, Mama welche von den Altkleidern zu verkaufen. Von wegen: »Die sind wie neu!« Aber Mama steht nicht so auf Secondhand, weil sie ein Hypochonder ist und befürchtet, da könnten gefährliche Bakterien drinstecken.
    Nur beim Ausbau ihrer Villa greift Rita tief in die Taschen. Sie meint: »Das ist meine Altersvorsorge.« Und dafür lässt sie meine Ex-Kinderfreundin Alice schuften,
bis die Tasten glühen. Rita selbst ist ihre Managerin und macht ständig Konzerttermine im Ausland klar. Sie meint: »Die Leute in Asien wollen europäische Wundermädchen am Flügel sehen. Wenn Alice erst mal über achtzehn ist, interessiert sich niemand mehr für sie.« Ich bin echt froh, dass Rita nicht meine Mutter ist. Da kann man ja Depressionen kriegen! Wobei: Die habe ich mit dreizehn auch so bekommen. Ganz automatisch, ohne, dass wir wussten, warum.
    Ich kicke mit meinem alten, ausgelatschten Chuck gegen einen kleinen Stein und meine: »Denkst du, Cotsch macht meine neuen Chucks kaputt?«
    »Tja, wenn sie weiter so damit auf dem Tennisplatz herumstampft.«
    Mann, das will ich mir lieber nicht vorstellen. Ich liebe meine neuen Chucks und ich wollte sie doch noch ein bisschen schonen. Meine Schwester reißt sich echt alles unter den Nagel.
    Um mich von meinen Chucks abzulenken, schneide ich besser ein anderes kniffliges Thema an. »Und denkst du, sie lässt ihr Kind abtreiben?«
    Arthur räuspert sich und zieht sich eine neue Zigarette aus der Schachtel und steckt sie sich in den Mund, ohne sie anzuzünden. »Keine Ahnung. Ich meine, mit Kind ist sie erst mal ganz schön gehandycapt. Da kann sie sich nicht mehr frei bewegen und unabhängig leben. Und sie ist doch schon ziemlich wild auf Karriere oder nicht?«
    »Ja, seit sie auf der Welt ist. Die denkt an nichts anderes als nur daran, wie sie die wichtigste Frau auf dem Planeten werden kann. Und zwar ohne Kinder. Sie meint, die nerven nur. Auf der anderen Seite ist sie Christin
und total dafür, Leben zu erhalten. Ich meine, ich würde mich schon ab und an ums Kind kümmern. Ich meine, das ist besser, als ein Ungeborenes zu töten, oder nicht? Das Baby kann ja nichts dafür, dass es in ihrem Bauch ist, oder? Das hat doch auch ein Recht auf Leben.

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