Leute, die Liebe schockt
Dann kann sie eben jetzt kein Super-Model mehr werden.«
Arthur zieht die Augenbrauen hoch. »Schon, aber es hat natürlich, theoretisch gesprochen, auch die Macht, das Leben deiner Schwester zu zerstören. Da muss man sich fragen: Welches Leben wiegt mehr …?«
Mann, Leute, das ist schon wieder so was von eine philosophische Frage, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Ich bin einfach nur echt froh, dass ich nicht schwanger bin. Also sage ich zu Arthur: »Überredet, ich gehe zum Frauenarzt und lass mir die Pille verschreiben.«
»Cool!«
Mein Freund steckt die Zigarette wieder zurück in die Schachtel und wirft sie in den Abfalleimer, der ganz in der Nähe neben einer Bank steht. Dann legt er den Arm um mich und so gehen wir an der Kirche vorbei, Richtung zu Hause. Die Sonne steht über uns, und ich bin froh, dass ich Arthur habe und wir so vernünftig miteinander umgehen, ohne uns zu bekriegen.
6
Leute, ratet mal, wo ich mich gerade befinde! Richtig! Beim Frauenarzt, in der Warteschlange vor dem Anmeldetresen. Hier ist echt was los. Lauter Frauen stehen hier herum. Manche haben sogar zur moralischen Unterstützung ihre Männer mitgebracht. Ich muss sagen: Das finde ich ehrlich gesagt nicht so toll. Ich meine, ich will lieber allein unter Frauen beim Gynäkologen sein. Das geht diese Männer doch gar nichts an, dass ich zum Frauenarzt gehe. Mit triefigem Blick stehen die neben ihren Frauen herum, die alle einen weißen Plastikbecher in die Hand gedrückt kriegen, in den sie Pipi reinmachen sollen. Schönen Dank auch.
Die Männer fühlen sich hier allerdings auch nicht wohl. Sie treten von einem Bein aufs andere und gucken sich so ein bisschen um. Rüber zur Wand, wo ein Plakat mit einer glücklichen Familie hängt, die ein Neugeborenes in ihrer Mitte willkommen heißt. Und dann gucken sie rüber zu mir. Vermutlich stellen sie sich vor, dass ich gleich untenrum nackt auf diesem entwürdigenden Stuhl liege. Vielleicht finden sie das insgeheim auch noch erotisch. Wenn ihr mich fragt: Ich finde das nicht sehr solidarisch, wie sich hier einige Frauen aufführen. Die können sich doch denken, dass wir anderen Frauen es nicht so toll finden, dass hier Männer mit reingebracht werden.
Vielleicht sollte an der Eingangstür von der Praxis ein Schild aufgehängt werden, auf dem steht, dass Männer draußen bleiben sollen. Ich stelle mir da so einen gezeichneten und mit roter Farbe durchgestrichenen Mann vor. Daneben steht dann gut lesbar: »Wir müssen leider draußen bleiben.« Sehr lustig.
Die Frauen mit den weißen Plastikbechern verabschieden sich vor der Toilettentür mit einem Bussi von ihren Männern und meinen mit so einem erzieherischen Tonfall: »Geh doch schon mal ins Wartezimmer, Schatz. Ich komme gleich.« So als wären das ihre Kinder oder Schoßhündchen oder andere unmündige Kreaturen. Voll peinlich. Die Männer trotteln rüber ins überfüllte Wartezimmer, wo Kleinkinder auf dem Boden rumkrabbeln und Frauen mit schwangeren Bäuchen stehen, weil die mitgebrachten Männer die Stühle besetzen und in Frauenzeitschriften blättern. Ich sage euch, Leute: Hier in diesem Land läuft so einiges schief. Das kann ich ganz klar von meinem ersten Besuch beim Frauenarzt ableiten. Die Menschen haben noch viel zu lernen, was ein einträchtiges Miteinander anbelangt. So viel ist mal klar. Ich meine, als Mann muss man doch den Frauen den Stuhl anbieten, besonders wenn sie schwanger sind. Da könnte ich mich so was von drüber aufregen. Ich wünschte, Arthur wäre jetzt hier. Der würde mich wieder runterbringen. Der würde sagen: »Lelle! Wichtig ist doch, dass du es anders machst.« Aber Arthur ist nicht hier, und deswegen dampfe ich noch immer aus allen Löchern, als ich endlich an der Reihe bin und der Empfangsdame oder wie man die Frau im weißen Kittel nennt, meinen Namen, meine Adresse und mein Anliegen durchgebe.
»Ja, ich bin zum ersten Mal hier.«
Die Dame im weißen Kittel wühlt in ihren Patientenkarten rum, und am Scheitel sehe ich, dass sie ihre Haare mal wieder nachblondieren sollte. Sie fragt, ohne mich anzugucken: »Haben Sie Beschwerden?«
Ich schüttle den Kopf.
Sie blickt auf. »Also einfach zur Kontrolle?«
Ich nicke und beuge mich etwas weiter über den Tresen. Ich flüstere: »Äh, ich würde mir gerne die Pille verschreiben lassen.«
Die Frau notiert sich ein paar Stichpunkte. Dann guckt sie mich wieder an. »Und was ist mit Krebsvorsorge? Die machen wir gleich mit, was?«
Ich
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